Braunfäule: Historisches Fachwerkhaus wird abgerissen

Das Holzschutzgutachten füllt mehrere Aktenordner. Es ist das Todesurteil für das Fachwerkhaus aus Jahrhundertwendezeiten mit dem beliebten Fischrestaurant „Poseidon“ im Erdgeschoss. Das denkmalgeschützte Gebäude kann demnach nur noch abgerissen werden. „Das tragende Fachwerk und das Innere des Hauses sind vollkommen verfault und instabil und nicht mehr zu halten“, bestätigt Dr. Markus Sommer-Scheffler, der für Rügen zuständige Denkmalpfleger des Landkreises Vorpommern-Rügen. Das Gebäude sei durchgängig von Braunfäule befallen, deshalb müsste man das gesamte Fachwerk herausnehmen und austauschen. Dann bliebe von der ursprünglichen Denkmalsubstanz nichts mehr übrig. Der Erhalt des denkmalgeschützten Hauses sei wirtschaftlich nicht mehr zumutbar gewesen. „Deshalb hat das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege sein Einvernehmen für den Abriss erteilt“, so Sommer-Scheffler. Das sei ein vollkommen rechtsmäßiger Vorgang. „Aber auch ein Jammer“, räumt der Denkmalpfleger ein. „Das war eine schwere Entscheidung für uns“, erklärt Eigentümer Harald Schewe, Binzer Gastronom und Hotelier und Vorsitzender des Betriebsausschusses Kurverwaltung. Welche Pläne der 61-Jährige konkret verfolgt, dazu könne er sich noch nicht äußern. „Es geht erst einmal um die Kubatur des Gebäudes. Wenn die bestätigt ist, dann kann ich mir Gedanken machen, was ich machen kann.“ Nach OZ-Informationen sollen zwei Wohnböcke (plus Tiefgarage) mit 16 Wohneinheiten errichtet werden mit einer Höhe von drei Etagen plus Staffelgeschoss. Die Pläne soll der Bauausschuss bereits durchgewunken haben. Sie sind nun Thema bei der nächsten Gemeindevertretersitzung am 31. Januar. Das Bauvorhaben liegt im Geltungsbereich des B-Planes 1 „Zentrum“. Dieses Plangebiet ist von der Gemeinde vor Jahren mit einer Veränderungssperre belegt worden. Nun muss der Gemeinderat entscheiden, ob er eine Ausnahme erteilt. Die ist Voraussetzung für eine Baugenehmigung. Doch Kritiker melden sich zu Wort: „In den vergangenen Jahren wurden in Binz viele historische Häuser abgerissen und durch Betonklötzer ersetzt. Wie weit wollen die Gemeindevertreter und der Bauausschuss von Binz noch gehen? Historische Häuser, die die Bäderarchitektur prägen, werden einfach abgerissen, das was den Gästen von Binz am meisten gefällt und weshalb diese auch kommen“, schimpft Carsten Oergel, Mitbegründer des Binz-Museums. Dr. Roland Demme aus Kassel hat sich damit aus städteplanerischer Sicht befasst. „Durch diese Maßnahme ändert sich die Gestaltung der Ecksituation von Lottum- und Wylichstraße total. Zu der Villa Glückauf stellt der neue Baukörper von drei oder sogar vier Geschossen eine Torsituation her und verursacht so den Beginn einer Straßenschlucht, die in ihrer Ausführung ein städtisches oder mit der zweiten Höhe ein großstädtisches Gepräge hervorruft.“ Dass in der zweiten Reihe von Binz nach und nach Klein-Manhattan entsteht, mag sich Binz‘ Bürgermeister Karsten Schneider gar nicht ausmalen. „Wir brauchen keine weiteren Bettenburgen und Ferienwohnungen mehr. Ich halte das Vorhaben für eine Nummer zu groß und hoffe auf eine sachlich geführte Diskussion.“ Harald Schewe hatte das Haus „Veritas“, das zu DDR-Zeiten Konsum-Kneipe war, die ab den 80er Jahren „Binzer Fischermahl“ hieß, zu Wendezeiten gekauft — und zweimal bezahlen müssen. Erst hatte er es von der Gemeinde für 30 000 Ostmark erworben. 1991 meldeten sich die Alteigentümer und er musste nochmal 800 000 Mark hinblättern — da hatte er bereits eine halbe Million investiert. Als erstes Restaurant in Binz eröffnete 1991 das Fischrestaurant „Poseidon“ in der unteren Etage des Hauses. Im oberen Bereich befinden sich Ferienwohnungen. „Die Sanierung nach der Wende war fehlerhaft. Es wurden von innen wasserabweisende Platten an die Wände geklebt. Das Haus ist von innen verfault“, so Denkmalschützer Sommer-Scheffler. Gerit Herold

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