CDU-Rebellin kehrt ihrer Partei den Rücken

Anja Ratzke, CDU-Stadtvertreterin und stellvertretende Vorsitzende im Kreisvorstand der Christdemokraten, hat ihr Parteibuch hingeschmissen. „Es gibt viele engagierte Leute in der CDU“, sagt die Geschäftsfrau. „Allerdings haben meine Vorstellungen von christlich-demokratischen Werten nichts mit denen der Mitglieder der Bergener CDU-Fraktion zu tun.“ Ratzke plädiert für einen respektvollen und ehrlichen Umgang miteinander. Aber genau das vermisse sie unter den Bergener Christdemokraten schon seit einiger Zeit. Vor allem der Umgang mit anderen Meinungen sei in ihren Augen unwürdig. „Die Sache mit Uwe Hinz ist mir sehr nahe gegangen“, sagt die 40-Jährige. „Da sind sehr schlimme Sachen gelaufen. Das ging bis zu öffentlichen Diffamierungen.“ Ratzke erinnert daran, dass Hinz — er gab am Mittwoch sein Stadtvertretermandat ab (die OZ berichtete) — erst im vergangenen Jahr eine Ehrenmedaille der Stadt erhalten habe. „Daran kann man sehen, wie wenig das wert ist.“ Anja Ratzke hatte sich in den zurückliegenden Monaten mehr und mehr als eine Rebellin in der eigenen Partei etabliert. Das begann mit dem Aufstand der Innenstadthändler, ging über den Einsatz für eine Anbindung des Tilzower Wegs durch das Gewerbegebiet bis hin zum Kampf gegen die Erweiterung des Nahversorgungsstandortes in Rotensee (die OZ berichtete). Bei allen Themen ging sie mit der Mehrheit ihrer Parteifreunde nicht konform, was ihr häufig harsche Kritik aus den eigenen Reihen einbrachte. „Dabei ist es so wichtig, dass wir auch Ansichten anderer zulassen und diese nicht für ihre Haltungen niedermachen“, sagt Anja Ratzke. „Die Stadtvertreter sollten sich um die Interessen und Belange der Bürger kümmern und nicht ein eigenes Programm der Stadtverwaltung durchziehen.“ Die Gewerbetreibende gibt zu, dass ihr die Entscheidung zum Austritt aus der CDU sehr schwer gefallen sei. „Denn mir ist klar: Bergens Christdemokraten sind nicht die Partei.“ Allerdings sei es nicht möglich, die Fraktion zu verlassen, ohne gleichzeitig der Partei den Rücken zu kehren. Auch hätte es für sie keinen Sinn gemacht, sich gegen die Politik der CDU-Fraktion in Bergen zu stellen und weiter derselben Partei anzugehören. Die „guten Leute in der Partei zu verlassen“, mache sie traurig: „Wie zum Beispiel Wirtschaftsminister Harry Glawe. Er hat sehr viel für die Region geleistet.“ Ratzke wird ihr Mandat als Stadtvertreterin behalten. Kurze politische Vita Im Jahr 2009 tritt Anja Ratzke erstmals für die CDU zur Kommunalwahl an und wird in die Stadtvertretung gewählt. „Geworben hatten mich damals Bürgermeisterin Andrea Köster und der heutige Fraktionschef, Axel Thiede“, sagt sie. Mitglied der CDU wird Ratzke im Oktober 2010. Im Dezember 2011 wird die in Westberlin aufgewachsene Bergenerin stellvertretende Vorsitzende der Kreis- CDU. Im Dezember 2014 verlässt die 40-Jährige aus Protest die Partei wieder. Jens-Uwe Berndt

Bergen - CDU-Rebellin kehrt ihrer Partei den Rücken