Corona-Demo in Sassnitz: Wut und Frust entlud sich am Mikrofon

Es war ruhiger als noch bei der vergangenen Demonstration Ende November. Statt 100, versammelten sich am Sonnabend ab 16 Uhr bei der dritten Ausgabe von „Lichtermarsch für Freiheit und Solidarität“ knapp 70 Leute am Sassnitzer Brückenplatz, um durch die Stadt zu ziehen. „Statt Merkel muss weg“, „Pandemie: gab es nie“ oder „Friede, Freiheit, keine Diktatur“ wurde dieses Mal getrommelt. Vereinzelt war zu hören: „Friede, Freiheit, Demokratie“. Wie auch beim letzten Mal machte Organisatorin Nicole Haller (34) auf die aus ihrer Sicht fehlende Unterstützung für Familien und speziell für Kinder aufmerksam. Denn sie müssten funktionieren wie kleine Erwachsene, sagte sie auf der Kundgebung nach dem Marsch. Sie erinnerte sich an den 13. März 2020 zurück, als der erste Lockdown verkündet wurde. „Fühlte mich alleine gelassen“: „Dann saß ich da mit meinen drei Jungs. Ich habe versucht, Lehrerin, Psychologin, Köchin und Sprachtherapeutin zu sein – und ganz nebenbei auch Mutter. Ich habe das alles versucht zu managen. Mir fiel das sehr schwer“, sagt Nicole Haller. Sie habe in dieser Zeit Ansprechpartner vermisst, etwa Hotlines, die sich speziell um die Belange der Familien kümmern. „Ich fühlte mich in diesen drei Monaten komplett alleine gelassen“, sagte sie. Lesen Sie auch: Rügener Corona-Demo in Sassnitz: Protestler skandieren „Friede, Freiheit, keine Diktatur“ Stralsund: Corona-Demo am Montag abgesagt - die Gründe des Landkreises Coronademos in Stralsund: Warum der Veranstalter drei von vier Protesten absagte Fünf weitere Redner standen an diesem Abend am Mikrofon, darunter auch der ehemalige Sassnitzer Stadtvertreter Norbert Dahms sowie der AfD-Abgeordnete Dr. Hans-Georg Eckardt aus Dranske. Es trat auch ein Mann ans Mikrofon, der sich als Olli zu erkennen gab. Er sei immer noch auf der Suche der Pandemie, die es aus seiner Sicht nicht gibt. Ihm fehlen die Toten, die zum Verhältnis einer Grippe zu gering ausfallen. Viel Beifall gab es für seine Worte von den 70 Teilnehmern. „Schlag ins Gesicht“: Andere hingegen, die die Veranstaltung aus der Ferne verfolgten, schüttelten den Kopf. „Die Leute müssen zu Hause bleiben, und hier stehen die Leute dicht an dicht auf einer Demo zusammen. Das ist ungeheuerlich“, sagt Birgit Rauch. „Außerdem ist es ein Schlag ins Gesicht für die Leute, die selbst an Corona erkranken oder Verwandte oder Freunde nach einem schweren Verlauf verloren haben“, sagte sie. Laut Einsatzleiter der Polizei verlief das Aufeinandertreffen in Sassnitz friedlich. Vereinzelt mussten Beamten eingreifen und Teilnehmer auf das Tragen der Mund-Nasen-Maske hinweisen. Nach rund zwei Stunden war der „Lichtermarsch für Freiheit und Solidarität“ beendet. Temporär kam es zu kurzfristigen Verkehrseinschränkungen im Stadtgebiet. Von Mathias Otto