Daniel Jürgens hält Mönchguter Dorfläden am Leben

„Kiek in, köp in!“, steht mit blauer Schrift an der Fassade des Einkaufsmarktes in Thiessow. Zusammen mit den Werbeplakaten Farbtupfer an dem tristen DDR-Bau, der schon seit Jahrzehnten Dorf-Konsum ist. Er ist mehr als nur ein Nahversorger im beschaulichen Ostseebad, in dem sich im Sommer die Urlauber tummeln. Für Einheimische ist er seit jeher auch ein Ort, um Bekannte zu treffen und Neuigkeiten auszutauschen – auch wenn dies gerade wegen der Corona-Krise nicht so ist. Inzwischen über 20 Mitarbeiter: „Für mich gehört ein Laden einfach zum Dorfleben dazu. Er schafft auch Arbeitsplätze und sorgt dafür, dass das Geld im Ort bleibt“, sagt Daniel Jürgens. Dies sei sein Idealismus. Daraus ist eine Mission geworden. Der Göhrener ist angetreten gegen das langsame Aussterben von Einkaufsmöglichkeiten auf dem Lande. Dabei hat sich der 42-Jährige in zwei Jahren nach und nach ein kleines Einzelhandelsimperium auf Mönchgut aufgebaut, in dem inzwischen über 20 Mitarbeiter beschäftigt sind. Das hätte er sich vor zehn Jahren gar nicht vorstellen können. Wieder Postfiliale in Göhren: Neben Dorfläden in Lobbe und Groß Zicker hat er den Markant-Markt in Thiessow übernommen. Am 6. April schließt er zudem die Türen des ehemaligen Edeka in Göhren wieder auf, der Ende Oktober geschlossen und mittlerweile komplett renoviert wurde. Dort eröffnet Daniel Jürgens einen neuen Markant-Markt, in dem auch wieder eine Post- und Lottostelle eingerichtet sein wird. Lange war unklar, ob es wieder eine Postfiliale im Ostseebad geben wird. Post und Gemeinde hatten vergeblich nach einer Lösung gesucht. Bei dem jungen Unternehmer wurde sie gefunden. „Die Post ist wichtig für Göhren, sie ist ein Service für den Ort“, so Jürgens. Fleischtheke soll noch kommen: Nachdem Edeka und auch die Bäckerei in Göhren geschlossen hatten, ging es zuerst eigentlich nur um einen Standort, um Backwaren zu verkaufen. „Nun wird es ein Komplettsortimenter mit regionalen Bezügen“, so Jürgens. Auf 400 Quadratmetern Verkaufsfläche bietet er auch Inselprodukte, wie Rapsöl und Bier, an sowie eine Theke, an der Waren der Bäckerei Mudrick aus Baabe zu haben sind. Noch Zukunftsmusik sei eine neue kostenintensive Fleischtheke. „Das ist ein Projekt für die nächsten zwei Jahre“, kündigt Jürgens an. Daniel Jürgens ist in Putbus und Bergen aufgewachsen. Nach der Schule begann er eine Lehre bei Bäcker Schmidt in Göhren. Seine Eltern hätten es damals gern gesehen, dass ihr Junge studiert.„Ich bin mit Leib und Seele Bäcker“, sagt der Rüganer. Sein Berufswunsch sei zuerst aber eher pragmatisch gewesen: „Früh aufstehen und arbeiten und dann den ganzen Tag am Strand liegen“, erinnert er sich und lacht. Doch sich in der Sonne zu aalen, dazu kommt Daniel Jürgens nur noch selten. Bäckermeister in Bayern gemacht: Im Jahre 2001 verließ er die Insel und ging nach Bayern. „Wegen der besseren Verdienstmöglichkeiten“, gibt er unumwunden zu. Tief im Süden der Republik machte er seinen Bäckermeister und arbeitete sich in einer der größten Großbäckereien Deutschlands zum Backstubenleiter von 150 Mitarbeitern hoch. Dann kam das Heimweh und der Wunsch, etwas Eigenes zu schaffen. Dazu wollte er seinen einstigen Lehrbetrieb übernehmen. Alles schien perfekt, doch dann zerschlugen sich kurzfristig die Pläne. Mittlerweile gibt es die Göhrener Bäckerei nicht mehr. „Ich bin kein Typ, der den Kopf in den Sand steckt. Geht eine Tür zu, geht eine andere auf“, sagt Daniel Jürgens. Vor zwei Jahren machte er sich schließlich selbstständig und übernahm in Lobbe den „Lütt Dörp Laden“. Als er kurz darauf von der Aufgabe des Thiessower Einkaufsmarktes aus Altersgründen der Eigentümer hörte, zögerte er nicht lange. Nach kurzer Schließzeit öffnete er den Markant-Markt an der Hauptstraße wieder. Im Dezember letzten Jahres kam dann auch noch der Dorfladen in Groß Zicker dazu. „Wir testen gerade, ob eine ganzjährige Öffnung Sinn macht“, so Jürgens. Das Sortiment hat er aufgestockt. Im Sommer soll der Laden jeden Tag beliefert werden nach dem Motto: Was nicht da ist, gibt es am nächsten Tag. Bedarf im Sommer ist riesig: „Gerade in der Saison ist der Bedarf riesig, weil dort nichts in der Nähe ist“, weiß Daniel Jürgens. Dies sei auch in Lobbe so, wo seine Lebensgefährtin Joanna Sadowska den Dorfladen führt. Weil die Urlauber immer wieder nach Fischbrötchen fragten, hat der Einzelhändler vor einem Jahr um die Ecke zudem das „Mönchguter Fischbüdchen“ eröffnet. Hier ist sein Bruder Enrico (39) Geschäftsführer, der nach der Schule in Baabe ebenfalls das Bäckerhandwerk erlernt hatte. Weiter expandieren will der Göhrener Unternehmer erst einmal nicht. Er hofft, dass sein Konzept aufgeht und ist optimistisch. Viel Zuspruch und Anerkennung habe er bisher erfahren, nun müssen er und seine Angestellten auch auf Dauer davon leben können. Probleme, Personal zu finden, habe er nicht gehabt. „Ich zahle 11 Euro als Einstiegsgehalt sowie Sonn- und Feiertagszuschlag, das finde ich fair“, meint der junge Chef. Lesen Sie auch: Nach Schließung: Göhren sucht Betreiber für Postfiliale Die letzten Dorfläden in MV: Kampf gegen Übermacht der Supermärkte Dorfladen ist Mittelpunkt des Ortes Von Gerit Herold