Das Privileg des Fotografen

Am Strand von Mukran wollte das Interhotel „Sassnitz“ seinen Gästen etwas Besonderes bieten und setzte einen 24-Meter-Kutter in die Dünen. Er sollte zu einer Nachtbar für schwedische und andere gut betuchte Gäste ausgebaut werden — so munkelte man in der Bevölkerung. Ich hatte mir das Schiff angesehen, es erinnerte mich an die Kogge Klaus Störtebekers und in der Tat trug es den Namen „Goedecke Micheel“ SAS 231. So fiel mir dazu gleich etwas Seeräubertaugliches ein: Neben meiner Strandburg am wilden FKK von Binz lag eine gut gebaute Blondine, die einen durchgehend gebräunten Körper hatte und sehr aufgeschlossen war. Ich erzählte ihr von meiner Idee, ein hübsches Mädchen, an einen Mast gefesselt, für den „Eulenspiegel“ zu fotografieren. Sie war dabei! Dann kam ich zum „Haken“ — wir müssten um 6 Uhr morgens da sein, da die Handwerker um 7 Uhr mit ihrer Arbeit beginnen. Sie stimmte zu und tags darauf standen wir an der Kogge. Eine Treppe oder Strickleiter war nicht zu sehen, die Bullaugen waren geschlossen und nur ein einzelner Strick ragte über die Bordwand, an dem ich mich hochzog. Oben angekommen, vertäute ich ihn fest am Mast und zog das Mädchen an Bord. Hier, zehn Meter über den Dünen, zog ein eiskalter Wind und ich war froh, bei etwa 14 Grad kein Modell zu sein. Sie zog sich irgendwo hinter der Spundwand aus und kam, ohne mit der Wimper zu zucken, nackt auf mich zu. Sie lehnte sich an den Hauptmast, ich ergriff eines der dicken Schiffstaue und zog es um Mast und Mädchen herum. Sie war nun um Arme, Taille und Beine gefesselt. Ich ergriff die Kamera, machte aus verschiedenen Positionen ein paar Bilder dirigierte sie dann an zwei, drei Standpunkte, fotografierte sie und beeilte mich, weil die ersten Tischler am Schiff eintrafen. Sie hatten wohl noch mitbekommen, dass ein Mädchen an Bord war. Kurz danach tauchte sie im Kleid wieder auf und erntete bewundernde Pfiffe. Ich dachte: Gut dass ich kein Tischler, sondern Fotograf bin. Klaus Ender OZ

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