Die 13 bringt Lokal seit 150 Jahren Glück

In dieser Woche feierten sie mit Freunden und Stammgästen aus dem Dorf und aus der Umgebung. Verbrieft ist, dass es „open end“ ging. Verbrieft ist auch, dass am 23. Januar 1863 ein gewisser Christoph Maass als Bäckermeister und Krüger (Standesbezeichnung für den mit einer entsprechenden Konzession ausgestatteten Schankwirt) diese Häuslerstelle im oberen Teil des Dorfes erwarb, Polchow Nr. 13. Diese Zahl sollte dem Haus Glück bringen. Das ursprünglich anderthalbgeschossige Haus wurde von seinem Sohn Carl später erweitert, aufgestockt und zu einem „Gast- und Logir-Haus“ mit einer „Coloniealwaren-Handlung“ unter einem Dach. Während in anderen Orten wie Bobbin, Sagard und Sassnitz die Kirche das gesellschaftliche Zentrum war, übernahm das Gasthaus Polchow diese Funktion, erst recht nach dem Anbau des Saales im Jahre 1888. Viele Gäste kamen im Sommer per Schiff von Stralsund, gingen im Polchower Hafen an Land, um sich im Gasthaus für den weiteren Weg nach Lohme und Stubbenkammer zu stärken. Schließlich dauerte die bevorstehende Reise per Wagen zwei und per Pedes vier Stunden. Seit 1975 führte Kurt Lemke dieses Haus, das zu DDR-Zeiten der Konsum-Genossenschaft gehörte und nach der Wende von ihm übernommen wurde, bis er seine Frau Christel 1998 aus gesundheitlichen Gründen ans Ruder ließ. Ihre gut-bürgerliche Küche mit Gerichten nach alten Rezepten ist der Grund dafür, dass viele Gäste dem Haus seit Jahren und Jahrzehnten die Treue halten, unter ihnen Schauspieler wie Herbert Köfer, Jan Fedder oder Lippi und die anderen „Störtebeker“. Selbst „De Plattfööt“ spielten hier auf. Zurzeit ist der Saal bunt geschmückt mit Girlanden, Papierschlangen, Luftballons und Lampions. Am 23. Februar laden die „Narren“ des Dorfes wieder zum Kappenfest. Feste gefeiert wurde hier schon immer, erinnern sich Brigitte und Walter Pews, zwei Polchower „Urgesteine“. Sie haben in dem Gasthaus nicht nur ihre Grüne Hochzeit gefeiert, das war im August 1962, sondern auch ihre Goldene. „Im nächsten Jahr feiert unser Sohn hier seine Silberhochzeit“, erzählt Brigitte Pews stolz. Am liebsten essen sie „Am Jasmunder Bodden“ das Eisbein, schön mit Sauerkraut und Erbs-Püree. „Das ist immer gut und ausreichend“, lacht ihr Mann. Andere am Tisch denken während des Sektempfangs an die Maskenbälle kurz nach dem Krieg zurück, als 1946/47 auch noch ganz „steife Winter“ waren. Dann wieder dieses „Weißt-du-noch?“: die Plumps-Klos damals auf dem Hof, das Malzbier, das sie als Kinder tranken, wenn sie vom Hafen oder von der „Gummiwiese“ kamen, die unter jedem Schritt „ganz wabbelig“ nachgab. Und Marianne Knoren erzählt von ihrer Tante Meta, die den Fischern schon früh um sechs die Zigarren aus der „Coloniealwaren-Handlung“ verkaufte, wenn die ihre Fische mit der Holzkarre ins Oberdorf wuchteten. Dass eines Tages, kurz vor Weihnachten, ausgerechnet die Gans aus der Tiefkühltruhe „Beine kriegte“ und spurlos verschwand, sorgte zwar für Aufregung bei Familie Lemke. Das Problem wurde aber mit zwei leckeren Enten gelöst — ganz zur Zufriedenheit der Gäste und getreu dem Motto: Ente gut, alles gut. Dieser Winter werde wohl der letzte geöffnete sein. Es lohne sich nicht in dieser Jahreszeit, bedauert die Chefin, die in Spitzenzeiten fünf Mitarbeiter beschäftigt. Zwei Jahre will sie noch das Ruder führen und dann das Familienunternehmen ihrem Sohn Jürgen übergeben. Die Sanduhr „Marke Eigenbau“ bekommt übrigens einen Ehrenplatz in der Gaststätte Polchow. Stammtischbruder Horst Wutzke, Mathelehrer im Ruhestand, hat sie gebastelt und die Maßeinheit Sanduhrdurchläufe (SUD) definiert. Nach seinen Berechnungen stehen die 150 Jahre für 7 884 000 SUD. Darauf ein „Prosit“. Und: „Immer eine schöne Matjeszeit!“ Wechselvolle Historie 1863 erwarb der Bäckermeister und Schankwirt Christoph Maass das Haus mit der Nr. 13. Sein Sohn Carl erweiterte es zu einem „Gast- und Logir-Haus“ mit einer „Coloniealwaren-Handlung“. 1888 wurde der Saal angebaut. Ab 1975 führte Kurt Lemke das Haus, das zu DDR-Zeiten der Konsum-Genossenschaft gehörte und nach der Wende von ihm übernommen wurde. Holger Vonberg

Polchow - Die 13 bringt Lokal seit 150 Jahren Glück