Die Rockerrente steht noch nicht auf dem Programm

Es war schon ein ungewohntes Bild, das Puhdys-Chef Dieter Birr, besser bekannt als „Maschine“, am Dienstagabend im Saal „Hiddensee“ vom Binzer IFA-Park abgab: Der hochgewachsene Rocker-Hüne saß lässig im Sessel oder auf einem Barhocker — cool singend in die Saiten seiner Akustikgitarre greifend — und erzählte locker-flockig über sein ereignisreiches Leben. Im engen schwarzen T-Shirt, auf dem sich vorne ein ganz kleiner Bauchansatz wölbte, kam „Maschine“ mit dem ihm eigenen Berliner Jargon ins Plaudern. Der gerade 70 gewordene und wohl bekannteste Ost-Rocker wurde im Vorfeld seines runden Geburtstages von einem Verlag angesprochen, ob er denn nicht einmal seine „Memoiren“ zu Papier bringen möchte. Dieter Birr ist nicht nur auf der Bühne ein Mann der Tat, er sagte aus dem Bauch heraus auch dazu sofort zu. Ein Ghostwriter war schnell gefunden, und nach einer Woche intensiver Gespräche mit dem Autor Wolfgang Martin (ehemaliger Musikjournalist des Rundfunks der DDR und exzellenter Kenner der Szene) war das Werk „Maschine - Die Biografie“ fast druckreif. Das in Buchform gegossene Ergebnis mit vielen privaten, bisher unveröffentlichten Fotos stellte „Maschine“ vor gut 200 Gästen in Binz vor. Dieter Birrs Tourmanager Kai Suttner aus Chemnitz war der Stichwortgeber des kurzweiligen Abends und entlockte „Maschine“ auch einige Details, die so nicht im Buch standen. „Die Rockerente scheint bei Maschine noch nicht auf dem Programm zu stehen“, meinte Herbert Wernicke aus dem sachsen-anhaltinischen Gardelegen, der mit seiner Frau Marion von der Ferienunterkunft auf Mönchgut extra nach Binz gekommen war. „Ich habe Dieter Birr schon bei Livekonzerten in den 60-er Jahren erlebt, als er noch ein unbekannter Musiker war“, erzählte der 68-Jährige. Das Ehepaar zählt zur großen Ostrock-Fangemeinde und hat schon jetzt Karten ergattert für das DDR-Pop-Giganten-Konzert mit den Puhdys, Karat und City in der Berliner O2-Arena im November. Für den Stralsunder Eckhard Dalm, der mit Maschine-T-Shirt, einer Langspielplatte und der frisch erschienenen Birr-Biografie anreiste, war die Lesung ein Muss. „Ich bin seit 1973 ein großer Fan der Puhdys und möchte mir heute auch zwei Autogramme von Dieter geben lassen“, so der 54-Jährige. Der Hansestädter ist so ein eingefleischter Maschine-Fan, dass er sich bei der Namenswahl für seine Tochter von einem der größten Puhdys-Hits inspirieren ließ — Melanie. Selbst IFA-Hoteldirektor Thomas Krüger outete sich als Fan und verriet: „Ich bin Dieter Birr mit 15 Jahren begegnet und verehre seine Musik seitdem, und das ist nun auch schon wieder 31 Jahre her“. Für die gebürtige Brandenburgerin und heute in Berlin lebende Regina Schattenberg sorgen die Puhdys mit ihrer Musik immer wieder für angenehme Jugenderinnerungen. „Die Disco-Besuche in den 80er Jahren werden in mir wach, denn wir haben schon damals nicht nur Westmusik gehört“, so die 52-jährige Hauptstädterin. Während der unterhaltsamen Lesung wurde es auch einmal plötzlich ziemlich ernst, als Dieter Birr über seine dramatisch verlaufende Borreliose-Erkrankung nach einem Zecken-Biss im Jahr 2003 berichtete. Doch ein alter Rock-Haudegen wie er gewinnt der überstandenen lebensgefährlichen Krankheit von damals heute natürlich gleich etwas Positives ab. Sein herrlich lakonischer Abschlusskommentar dazu: „Ick hab‘ dann schlagartig uffjehört zu rochen und fahre seitdem fast täglich Fahrrad, wah.“ Christian Rödel

Binz - Die Rockerrente steht noch nicht auf dem Programm