Auf Rügen fotografiere ich etwa seit 1990. Vor allem die vielen Neu- und Umbauten im touristischen Bereich haben das Gesicht der Insel gravierend verändert. Die Bebauung ist viel dichter geworden, ganze Ortsteile sind neu entstanden. Ich dokumentiere diese Entwicklung mit allen Höhen und Tiefen - und dafür muss ich schneller sein als der Abrissbagger.
Ich glaube, der Bauboom auf der Insel wird erst einmal weitergehen. Die Immobilienentwickler verdienen gutes Geld, weitere Großprojekte sind geplant. Irgendwann muss man sich aber überlegen, wie man mit dem weiter wachsenden Tourismus umgeht. Sonst sehe ich schwarz für die Insel. Die Spuren des Tourismus sind heute in Stein gemeißelt. Früher sind viele Gäste mit einem Zelt gekommen und dann eben irgendwann wieder abgereist. Heute entstehen die Ferienwohnungen aus Beton und bleiben. Langsam verändert sich auch die Architektur, vor allem in den Seebädern. Viele Eigentümer verkaufen, die alten Häuser verschwinden. Ein Haus zu sanieren ist teuer und das Objekt wird nie so viel Rendite einbringen, wie ein Neubau mit mehr Wohnfläche.
Aus Fleischerei wurde Eiscafé
Früher ging’s an der Ecke Strandstraße/Max-Dreyer-Straße noch herzhaft zu. Da gab es Salami, Teewurst oder Cervelatwurst oder Spezialitäten wie Preßsaftschinken und Rollschinken. Handwerklich hergestellt von den Meistern ihres Faches der Fleischerei und Wurstfabrik von E. Damp. Unser historisches Foto zeigt eine Szene samt Rind aus den Dreißigerjahren. Wo früher Fleisch und Wurst im Angebot waren, wird heute italienisches Eis gereicht. Aus der Fleischerei und Wurstfabrik wurde das Café Valentino – einen Fleischer sucht man in Göhren wie überhaupt an der Bäderküste vergeblich.
Villa Hoffnung wich Villa Ostsee
In der Poststraße schräg gegenüber dem heutigen Haus des Gastes stand einst die Villa Hoffnung. Dem im 19. Jahrhundert gebauten Haus war allerdings keine hoffnungsvolle Zukunft beschieden – obwohl es mehr als 100 Jahre lang zu den Gebäuden gehörte, die das Göhrener Ortsbild mitgeprägt haben. In ihren letzten Jahren war die Villa, die zeitweise dem örtlichen Fremdenverkehrsverein auch als Sitz diente, unbewohnt. In diesem Jahrzehnt folgte schließlich der Abriss und der Neubau der Villa Ostsee mit acht Drei-Zimmer-Appartements samt Eiscafé.
Parkhaus versperrt Hangblick
Manche nennen ein Stahlmonster für andere wiederum ist es ein notwendiges Übel, um den labilen Nordhang zu stabilisieren. Fakt ist jedenfalls, dass gegenüber dem Kleinbahnhof ein Parkhaus entsteht, das den Blick von unten hinauf und von oben herab versperrt. Im vergangenen Jahr ist mit dem Bau begonnen worden – mit dem Versenken von fast 150 Bohrpfählen in den Erdboden. Ist das Parkhaus mit mehr als 250 Stellplätzen fertiggestellt, erinnert nichts mehr an den einst beschaulichen Sandparkplatz an der Bahnhofstraße – und die Gäste des Fischrestaurants am Bahnhof blicken auf eine Wand.
Fischerhaus nur noch Schutthaufen
Jahrelang war das im 19. Jahrhundert errichtete Fischerhaus an der Thiessower Straße 26 unbewohnt. Das Denkmal mit der Nr. 297 soll nach Angaben des Denkmalamtes stark von Zerstörung bedroht gewesen sein – und ist inzwischen nur noch Schutthaufen. Auf Rügen stehen über 800 Objekte auf der Denkmalliste. Über 100 sind stark gefährdet. Rügen verliert jährlich einige ortsbildprägende Gebäude. Obwohl Denkmäler in MV laut Tourismusverband für die Bewohner eine identitätsprägende Bedeutung haben. Gleichzeitig würden sie helfen, ein gutes Image für das Bundesland bei den Touristen aufzubauen – würden.
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Projekt „Rügen einst und heute“
Stefan Sauer