Ex-Werftarbeiter mit neuer Schiffbau-Firma erfolgreich

Die Werftinsolvenz war wohl die schwerste berufliche Krise von Jan-Peter Bös — im Nachhinein sollte sie sich für den Ingenieur als große Chance erweisen. Der Mann hat 34 Jahre auf der Volkswerft gearbeitet, mehr als sein halbes Leben lang. Doch anstatt sich vom P+S-Pleitestrudel nach unten ziehen zu lassen, gründete der heute 53-Jährige gemeinsam mit Geschäftspartner Norbert Riehl (59) die Ostseeindustrie-Elektromontage GmbH (OEG). Das Konzept: Ehemalige Arbeiter der Volkswerft erledigen mit all ihrer Erfahrung Aufträge in den Bereichen Elektro-, Schweißtechnik und Rohrmontage für Schiffbau- und Metallbetriebe in ganz Deutschland. Das Modell scheint zu funktionieren, bereits nach einem Jahr auf dem Markt hat die OEG im April 2015 einen Quartalsumsatz von 1,34 Millionen Euro erwirtschaftet. Gestern hat OB Alexander Badrow (CDU) den Firmensitz im Stralsunder Gewerbegebiet Lüdershagen besucht. „Ich hätte damals versuchen können, woanders einen Job zu finden. Aber wir haben uns dann zusammengesetzt und überlegt, was sonst noch möglich wäre“, sagt der heutige Geschäftsführer Jan-Peter Bös . Sein Partner Norbert Riehl erinnert sich an die schwierige Anfangszeit, als das Vertrauen in die Metallbranche in Stralsund aufgebraucht war: „Die Banken haben uns keine Kredite gegeben. Ohne Privatmittel wäre das alles gar nicht möglich gewesen.“ Riehl war zuvor Geschäftsführer der Stralsunder Rohrmontage GmbH, die fast ausschließlich Aufträge für die Volkswerft ausgeführt hat. „Es gab die Möglichkeit, weiter dem Abgrund entgegen zu taumeln oder noch einmal Geld in die Hand zu nehmen und die neue Firma zu gründen.“ Noch heute sei die Pleite der Volkswerft für das junge Unternehmen spürbar, in Stralsund gebe es nur wenig Aufträge. Stattdessen haben die Angestellten zum Beispiel an der Elektrotechnik von Kreuzfahrtschiffen mitgearbeitet, die auf der Meyer Werft in Papenburg gebaut wurden. Die „Quantum of the Seas“ ist einer der Kolosse, an dem die Stralsunder mitgearbeitet haben. Der bislang größte Auftrag mit einem Volumen von rund einer Million Euro kam im vergangenen Jahr von Nordic Yards aus Wismar. OB Badrow hofft, dass bald auch der Nordic-Standort in Stralsund Aufträge an Land zieht. „Dann bekommen wir eine ganz neue Dynamik“, sagt er. Nordic Yards hatte die Volkswerft im Juni 2014 gekauft. Womöglich helfen die OEG-Kollegen bald sogar dabei, die Arbeiten an den Scandlines-Fähren zu Ende zu bringen — also an jenen Schiffen, deren Bau durch hohe Kosten und immer neue Verzögerungen das Ende der Volkswerft besiegelt hatte. Die „Berlin“ und die Copenhagen“ werden derzeit auf der Fayard-Werft in Munkebo in Dänemark umgebaut. OEG steht in Anfangsverhandlungen mit Siemens. Der Konzern hat dort den Auftrag für die Elektroarbeiten. „Wir würden gern dabei helfen, die Schiffe endlich fertigzustellen“, sagt Jan-Peter Bös. Zu emotional dürfe man das nicht sehen. „Wir müssen die Vergangenheit abhaken, das ist ein Auftrag wie jeder andere.“ Alexander Müller

Stralsund - Ex-Werftarbeiter mit neuer Schiffbau-Firma erfolgreich