Frist abgelaufen: Quartett will marodes Gutshaus kaufen

Viel Fantasie ist nötig, um sich die alte Gutsanlage in Posewald als strahlendes Herrenhaus vorzustellen. Von der kleinen verwitterten Freitreppe aus fällt der Blick auf zwei heruntergekommene LPG-Hallen, im hinteren Teil des verwilderten Parks dümpelt ein Teich vor sich hin. Lediglich die „Bude“ ist ein Lichtblick, ein Nebengebäude auf der Rückseite des einst herrschaftlichen Hauses, das schon seit Jahren von Wandergesellen genutzt wird. Mindestens 150 000 Euro muss der künftige Besitzer für das in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstandene Ensemble berappen. Gestern lief die Angebotsfrist bei der Stadt Putbus aus. Bürgermeister Harald Burwitz (FDP) freut sich über mindestens zwei „ernsthaft interessierte“ Kaufwillige, beide Unternehmer, darunter ein Rügener. Einen Run auf die ziemlich ramponierte Immobilie, die die Stadt nicht nutzt und deshalb loswerden will, habe es nicht gegeben. Burwitz: „Das ist natürlich Geschmackssache, aber wer das Gebäude aus früheren Zeiten kennt, würde jetzt sagen: 1A-Zustand.“ Der früher verschlammte Teich sei wieder in Ordnung, der Park mit sehr altem Baumbestand aufgeräumt, der Dachstuhl gesichert und die Fenster gerettet. „Im Grunde muss jetzt nur mit der Sanierung begonnen werden“, meint Burwitz. Nur? Der im Rathaus für den Immobilienverkauf zuständige Karl-Otto Hein geht von einem „Riesenaufwand“ aus. „600 000 Euro mindestens wird man in die Hand nehmen müssen, um das zweigeschossige Gebäude mit ausgebautem Dach bewohnbar zu machen.“ Auch hinsichtlich der Nutzung des rund 8600 Quadratmeter großen Areals gehen die Vorstellungen im Rathaus eher auseinander. Während das Stadtoberhaupt von einer „großen Familie, vielleicht mit Hundezucht“ schwärmt, sieht Hein dort eher ein kleines Hotel oder eine Pension, möglicherweise auch ein Therapiezentrum. Ganz andere Vorstellungen hat einer der unmittelbaren Nachbarn der Immobilie. Der Freiburger Philipp Schwitalla hat aus dem nicht von Rindern bewohnten vorgelagerten Viehstall eine Mini-Bootswerft gemacht. „Ein Riesenfehler, die Gutsanlage zu verkaufen, statt sie als Zentrum des traditionellen Handwerks für die Stadt zu nutzen“, sagt der 36-Jährige, der selbst als reisender Geselle nach Rügen kam, in der „Bude“ lebte und auf der Insel hängen blieb. „Die Sanierung des früheren Herrenhauses“, so Schwitalla, „könnten die auf dem Grundstück wohnenden Wanderhandwerker übernehmen, eine einmalige Chance für Putbus.“ Zwar will die Stadt an den Gesellen „auf der Walz“ und ihrer „Bude“ festhalten, aber auf einer anderen Grundlage. „Mit dem Käufer des Gutshauses müsste man sich darauf einigen“, erklärt Hein. Nur im Notfall könnte die Gesellen-Behausung aus dem Kaufvertrag herausgenommen werden. Bei einer Ortsbegehung gibt er allerdings zu bedenken, dass sich die jungen Handwerker, manchmal bis zu zwölf Personen gleichzeitig, im Park bereits ziemlich ausgebreitet hätten. Ein Saunahäuschen, ein Abstellschuppen und zwei Baumhäuser gehören inzwischen zur „Bude“, deren Eingangsbereich direkt zwischen dem Hintereingang zum Gutshaus und einem eng angrenzenden Zweifamilienhaus liegt. Kühe, Familien, Jungvolk und Bootsbauern — alles auf engstem Raum rund um das zum Verkauf stehende Gelände. Bürgermeister Burwitz sieht in all dem kein Problem. „Mittelfristig wird sich die im Moment schwierige Umgebung des Herrenhauses verändern, die Eigentümer drum herum sind alle an einer Verschönerung interessiert.“ Fast 200 Jahre Geschichte 1824 wurde das Posewalder Herrenhaus in traditioneller Ziegelstein-Bauweise erbaut. Ende des 13. Jahrhunderts wurde der Ort Posewald unter dem slawischen Namen Puzdevolk erstmals erwähnt. Zu seinen besten Zeiten gab es im 16. Jahrhundert in dem zum Fürstenhaus Putbus gehörenden Weiler vier Bauernhöfe. Das Gutshaus fiel nach der Wende an die Stadt Putbus. Die Kommune erhofft sich von einem privaten Käufer, dass das Gebäude erhalten und wieder zum Leben erweckt werden kann. Lena Roosen

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