Immer teurer: Tierpark-Projekt umstritten

Die Mufflons trippeln durch ein neues Gehege, als würden sie die Feuersteinfelder bei Neu-Mukran unter die Hufe nehmen. Eule und Bussard schweben durch eine gigantische Voliere, die durchaus Ähnlichkeiten mit dem auch als „Vogelnest“ bezeichneten Olympiastadion in Peking aufweist. — So sieht sie aus, die Zukunft von Rügens einzigem Tierpark in Sassnitz. Die Zukunftspläne sind zwar schon zu Papier gebracht. Ob sie allerdings auch umgesetzt werden, scheint gegenwärtig offen zu sein. Denn Stadtvertreter stellen das Projekt zur Disposition. „Ist das tatsächlich der richtige Weg, den wir eingeschlagen haben?“, fragt SPD-Fraktionsvorsitzender Norbert Benedict angesichts eines erneuten Kostenanstiegs um mehrere 100000 Euro, den Planerin Maike Kosanke in der jüngsten Sitzung des Bauausschusses den Sassnitzern offerierte. Zahlen, die Benedict mit den Worten kommentierte: „Manchmal ist es besser, einen Schlussstrich zu ziehen.“ „Am Eingang ein neues Kassenhäuschen.“ Mit einem Laserstift fuhr Maike Kosanke in der Bauausschusssitzung über den auf eine große Leinwand projezierten Planentwurf für den Tierpark. Sie arbeitet im Landschaftsarchitekturbüro Niessen in Bergen, das die Pläne im Auftrag der Kommune zu Papier gebracht hat. „Das neue und zentral gelegene Gehege für die Mufflons wird im Stil der Feuersteinfelder angelegt. Ein neuer Wasserspielplatz steigert die Attraktion“, erläuterte sie, dass Besucher im westlichen Teil künftig ein großes Wolfsgehege und eins für Wildkatzen finden werden. „Highlight der Anlage wird die riesengroße Voliere für die Wildvögel, die Gäste sogar durchqueren können.“ Die grundhafte Erneuerung des Tierparks, die Maike Kosanke als ersten Bauabschnitt bezeichnete, werde 1,98 Millionen Euro kosten, rechnete sie vor. Ein zweiter Abschnitt, der folgen könnte, sieht unter anderem die Entschlammung des Schwanenteichs, das Anlegen eines Hochweges sowie von Wolfs- und Wildkatzengehege vor. „Für diese zweite Entwicklungsstufe sind Kosten von rund 850000 Euro kalkuliert“, so Kosanke, die den Kommunalpolitikern damit zugleich einen kräftigen „Kostennachschlag“ servierte. Landschaftsarchitekt Thomas Niessen hatte bei einer ersten Vorstellung der Pläne Anfang Juli für den ersten Bauabschnitt 1,9 Millionen Euro angegeben und die Kosten für den zweiten Abschnitt auf „rund eine halbe Million Euro“ geschätzt. „Was wird aus dem Sozialgebäude des Tierparks?“ Ausschussmitglied Gerd Löffler wunderte sich, dass es Maike Kosanke mit keinem Wort erwähnt hatte. „Das ist noch gar nicht berücksichtigt“, antwortete die Planerin. Es könne nicht sein, dass alles für eine artgerechte Unterbringung der Tiere und mehr Anziehungskraft der Anlage für Besucher unernommen werde, die Mitarbeiter aber auf der Strecke bleiben, kritisierte Löffler. Zumal im Sozialgebäude doch auch Tierkunde-Unterricht für Schulklassen vorgesehen sei. „Wenn wir über die Pläne abstimmen sollen, will ich wissen, was mit dem Sozialgebäude wird.“ Das Gebäude werde im zweiten Bauabschnitt mit auf Vordermann gebracht und saniert, versicherte Uwe Dalski, Amtsleiter für Wirtschaftsförderung und Kultur, im Gegensatz zur Planerin. Wie er informierte, werde die Kommune für die grundhafte Erneuerung der Anlage vom Land finanzielle Unterstützung bekommen. „Wir waren gerade erst in Schwerin. Bei diesem Termin haben sowohl das Förderinstitut als auch das Wirtschaftsministerium bekräftigt, dass die Stadt für den ersten Bauabschnitt mit einer 90-prozentigen Förderung rechnen kann.“ „Die Kosten laufen uns trotzdem davon“, mahnte Norbert Benedict angesichts der aktuell präsentierten Zahlen und erinnerte, dass am Anfang mal nur 660000 Euro zur Disposition standen, als die Stadtvertreter vor Jahren den Beschluss zur Tierpark-Neugestaltung fassten. „Übrigens mit dem Ziel, dadurch die Einnahmen des Parks zu erhöhen und die Zuschüsse der Stadt für die Anlage zu reduzieren“, legte er nach und monierte: „Bis heute vermisse ich konkrete Zahlen, ob dieses Ziel überhaupt erreicht wird. Uns muss schnellstens ein Bewirtschaftungskonzept vorgelegt werden.“ 211000 Euro „plus gewisse Gelder aus der Kurtaxe“ rechnete Stadtvertreter Steffen Schroers als aktuellen und jährlichen Zuschuss der Kommune für den Tierpark vor. Für dessen grundhafte Erneuerung müsse die Stadt — selbst bei 90-prozentiger Förderung — rund 200 000 Euro beisteuern. „Kann die Stadt sich das leisten angesichts anderer, wichtiger Vorhaben wie der Sanierung und des Umbaus der Schulen?“, fragte er. „Mehr Einnahmen können wir im Tierpark aber doch nur erzielen, wenn wir die Attraktivität erhöhen“, warnte Svea Lehmann davor, das Vorhaben komplett in Frage zu stellen. „Es kann angesichts explodierender Kosten doch aber kein Selbstläufer sein“, entgegnete Norbert Benedict. Worauf Norbert Schult die Kurtaxe ins Spiel brachte. Sassnitz sei Erholungsort, der Tierpark habe bei der Zertifizierung Punkte gebracht, sagte er. „Verlieren wir den Titel möglicherweise, wenn wir keinen Tierpark mehr hätten? Dann würde die Kommune jedes Jahr rund 288000 Euro Kurtaxe-Einnahmen einbüßen.“ Am Tierpark scheiden sich die Geister der Kommunalpolitik in Sassnitz. Udo Burwitz

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