Insel der Elektroautos: Rügen will Modellregion werden

Auch wenn die mietbaren orangefarbenen Elektro-Trabis der Tourismuszentrale Rügen (TZR) in der kommenden Saison für Rügen-Urlauber ein Knaller werden könnten (die OZ berichtete) — in Sachen Strom für Autos sieht es auf der Insel im Moment düster aus. Das bekommen Jörg und Astrid Brömme aus Berlin bei jedem Rügen-Trip zu spüren, weshalb sie einmal mehr mit ihrem benzingetriebenen Smart auf das Eiland düsten. Der alternative Flitzer blieb zu Hause in der Garage. Urlauber wie die Brömmes sollen in absehbarer Zeit auf Rügen voll auf ihre Kosten kommen, denn mit dem Projekt „Nachhaltige & elektrische Mobilität Rügen“ — kurz „NEMO 2030“ — will die Insel Modellregion werden. Soll heißen: Flächendeckende Ausstattung mit Ladestationen inklusive Stralsund und weiterer Gebiete im Landkreis Rügen-Vorpommern. Träger des Projektes sind die Tourismuszentrale (TZR) und der Tourismusverband Rügen. Und die Zukunftsvisionen klingen verwegen. So könnten zum Beispiel nicht nur Verwaltungen und öffentliche Einrichtungen auf E-Mobilität umsteigen, vielmehr soll der gesamte Urlauberverkehr auf Rügen elektrisch rollen. Und nicht nur das. Laut Kai Gardeja, TZR-Geschäftsführer, sieht das Projekt Vernetzungen mit dem Luftverkehr (Rostock-Laage), dem Verkehr zu Wasser („funktionsfähiges Netz von Marinas an der Außenküste von MV“) sowie Bus- und Bahnlinien vor. „Ein zentrales Element des Projektes ,NEMO 2030‘ ist der Aufbau einer geeigneten Flotte von Elektrofahrzeugen und eines flächendeckenden Ladeinfrastrukturnetzes“, sagt Gardeja. „Die Fahrzeugflotte soll die gesamte Bandbreite verfügbarer Elektrofahrzeuge vom Kleinwagen über die Kompaktklasse bis hin zu kleinen Lieferwagen widerspiegeln.“ Denn es gehe nicht nur darum, Urlauber wie die Familie Brömme an die Region und Rügen zu binden, sondern auch jenen Touristen, die über das Thema E-Mobilität bisher nicht nachgedacht haben, die Möglichkeit der Fortbewegung per Elektro-Fahrzeug eröffnen. Laut Gardeja ist das Modellprojekt aber keine Einbahnstraße, denn neben dem Nutzen für den Tourismus auf der Insel werde eine Menge für Umwelt und Natur getan. Noch steht das Projekt auf dem Prüfstand. Die Initiatoren sind aber zuversichtlich, in Bundes- und Landespolitik Interesse und finanzielle Unterstützung zu finden. Derzeit sieht‘s noch mau aus. „Wir sind schon an die 4000 Kilometer mit unserem Elektroauto gefahren. Rund um Berlin ist das kein Problem, aber schon der Weg bis nach Stralsund ist ein Trauerspiel“, erzählt Jörg Brömme. Rund eine halbe Stunde brauche das Paar an einer Schnellladesäule, bis sein Citroen C-Zero wieder zu 80 Prozent aufgeladen sei. „Aber davon gibt es unterwegs keine einzige“, sagt der Hauptstädter. Stattdessen müsse er vier bis fünf Stunden an einer Ladesäule einplanen: „Das ist sehr mühsam. Manchmal übernachten wir dann einfach gleich dort.“ Und am Ende würde sich der Aufwand nicht lohnen, denn auf Rügen seien sie praktisch aufgeschmissen. Nicht nur Brömmes würden gern mit ihrem Elektroauto auf die Insel kommen, auch für andere Anhänger alternativer Antriebe, die wie das Paar Mitglieder im Bundesverband E-Mobilität (BEM) sind, seien entsprechende Angebote auf der Insel interessant. „Insgesamt sind wir zwischen 150 und 200 Mitglieder. Von denen würden viele auf die Insel fahren, wenn es eine entsprechende Infrastruktur gäbe. Aber was das anbetrifft, ist Rügen zurzeit noch ein schwarzes Loch“, sagt Jörg Brömme. Bei Edeka in Sassnitz hat der Berliner eine Ladesäule entdeckt. „Aber die gehört zu einem Verein, und man muss Mitglied sein, um sie zu nutzen“, sagt Brömme, der von einem „Ladechaos“ spricht. „Normalerweise müssen die Ladesäulen wie Tankstellen funktionieren und rund um die Uhr öffentlich zugänglich sein, aber das sind sie nur in den wenigsten Fällen“, sagt er. Eingeschränkte Öffnungszeiten oder ein Autofahrer, der sein Fahrzeug unberechtigt in der Ladezone parke — all das haben der Berliner und seine Frau schon erlebt. „Wie will man die E-Mobilität nach vorne bringen, wenn man solche Hürden aufbaut“, fragt sich Brömme, der eine Fahrt mit dem Elektroauto akribisch plant und sich vorher über Ladesäulen, Öffnungszeiten und Ähnliches genauestens informiert. „Als Notlösung haben wir immer 20 Meter Kabel und mehrere Adapter dabei, um verschiedene Lademöglichkeiten nutzen zu können.“ Auch an einer normalen Steckdose haben die Brömmes ihren E-Flitzer schon angeschlossen. „Zum Beispiel vor Hotels oder auf Campingplätzen. Wir fragen dann, ob wir den Strom nutzen können, wenn wir dort Mittag essen“, sagt der Elektroauto-Fan. „Nach zwei Stunden haben wir dann wieder genug Saft bis nach Stralsund, in der Regel machen die das.“ Analysen Privilegien für Elektroautos gehören zum Konzept der Tourismuszentrale. So wurde zum Beispiel die „Bereitschaft der Kommunen auf Rügen sondiert, an geeigneten Standorten attraktive Parkprivilegien für Elektrofahrzeuge zu schaffen“, heißt es in der Projektbeschreibung. 87 Prozent der Urlauber auf Rügen begründen ihren Aufenthalt auf der Insel mit der guten Luft und dem Klima, weshalb die Bereitschaft der Touristen zum Schutz von Umwelt und Natur von der TZR als sehr hoch angenommen wird. Und das wiederum ist ein Indiz für ein Gelingen des Modellprojektes. Die Projektinitiatoren bauen laut Antrag stark auf die sich immer mehr verändernde Mobilität. Jens-Uwe Berndt und Stefanie Büssing

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