Inselpolitik gibt die Jugendhilfe aus der Hand

Der neue Jugendhilfeausschuss des Kreises sollte nicht Vorpommern/Rügen, sondern „Vorpommern/Stralsund“ heißen. Mit diesem ironischen Vorschlag macht Christian Waedow, Geschäftsführer des Kreisverbandes der Arbeiterwohlfahrt auf Rügen, darauf aufmerksam, dass in dem wichtigen Gremium des Kreistages nicht mehr ein stimmberechtigter Insulaner vertreten ist. „Die Projekte, Initiativen und Jugendgruppen der Insel werden, entsprechend Aktenlage, ferngesteuert“, schimpft Waedow in einem Brief, der der OSTSEE-ZEITUNG vorliegt. Darin kritisiert er die Verwaltung, die nicht einen Träger der Jugendhilfe von Rügen auf die Vorschlagsliste für die konstituierende Sitzung des Kreistages setzte. Zudem wirft er den Rügener Politikern mangelndes Engagement für das Gremium vor, das eines der wenigen ist, die neben dem Kreistag eigene Beschlüsse fassen können und das für die Planung und auch die Finanzierung der Jugendhilfe zuständig ist. „Für das mangelnde Interesse der Rügener Vertreter der Parteien im Kreistag an der Jugendpolitik kann ich mich nur fremdschämen“, schreibt der parteilose Christian Waedow und ergänzt: „Für mich ist das politisch ein Demokratieunfall.“ Man könne bei der Besetzung eines solchen Ausschusses nicht einfach ein Drittel der Fläche des Kreises ausgrenzen. Nicht einmal einen sachkundigen Einwohner Rügens hätten die Parteien in das Gremium gewählt. Die Vorauswahl der Verwaltung für die Vertreter der stimmberechtigten Jugendhilfeträger für das Gremium zeugt nach Waedows Meinung von Zentralismus. In Richtung Landrat, der zur Konstituierung des Kreistages noch versprochen hatte, dass niemand abgehängt werde, meint Waedow: „Mehr abhängen geht nicht.“ Er werde als „eingeschnappte Leberwurst“ darauf verzichten, als Stellvertreter für ein Mitglied des Ausschusses zu fungieren — um nicht als Feigenblatt für diesen „Demokratieunfall“ herhalten zu müssen. Mancher werde sicher naserümpfend vermuten, dass hinter seiner Kritik nur persönliche Enttäuschung darüber steckt, dass er dem Gremium nicht mehr angehört. In der vergangenen Wahlperiode hatte er noch als Vertreter der Rügener Jugendhilfeträger in dem Fachausschuss gesessen, unter anderem mit Klaus Richter aus Dranske und Axel Thiede aus Bergen. Thiede war von seiner CDU-Fraktion auch wieder nominiert worden, bekam aber bei der Besetzung nicht genügend Stimmen. Waedows Kritik kann er nachvollziehen. „Wir sind leider nicht in der Lage gewesen, unsere Region in so einem wichtigen Ausschuss zu vertreten“, sagt er nachdenklich. Das sei für die Sache, die Jugendhilfearbeit auf der Insel, nicht gut. Dass Rüganer in allen politischen Gremien mitmischen, gelinge in dem neuen Großkreis leider nicht, bedauert Thiede. „Wir haben da wirklich nicht drauf geachtet“, sagt Karin Breitenfeld. Die Lohmerin sitzt für die Linke im neuen Kreistag. In dessen zweiter Wahlperiode sollte man nicht mehr so großes Augenmerk auf die Regionalität, also auf die Herkunft der Interessenvertreter legen als vielmehr auf deren Arbeit. „Letztlich sind wir ja nun alle aus einem Kreis.“ Dass dessen Verwaltung die Rüganer auch in diesem Fall gern mal zu übergehen scheint, weist deren Sprecher zurück. Einem Aufruf des Jugendamtes zur Mitarbeit im Jugendhilfeausschuss seien 15 interessierte Träger gefolgt. Nach Anwendung verschiedener Auswahlkriterien, etwa dem Geschlecht oder dem Wohnort, sei die Liste mit den sechs Vorschlägen für stimmberechtigte Ausschussmitglieder aus dem Bereich der Jugendhilfeträger entstanden. Die Herkunft aus den Altkreisen hat dabei keine Rolle gespielt. Sollte sie aber, findet Christian Waedow. „Die Situation ist spaltend und sollte schnell bereinigt werden“, mahnt er und gewinnt ihr dennoch etwas Positives ab: „Das Gute an dieser unangenehmen Geschichte kann sein, dass sie geeignet ist, in den Schulen über politische Teilhabe zu debattieren und sich auch an außerparlamentarischen Formen zu üben.“ Beschließendes Gremium 5 Kreistagsmitglieder und vier sachkundige Einwohner haben die Parteien in den Jugendhilfeausschuss entsandt. Dazu kommen noch fünf Mitglieder mit beschließender sowie eines mit beratender Stimme von den Trägern der Juhendhilfe. Das sind die JAM GmbH, der Verein Sportjugend Vorpommern, die AWO Soziale Dienste Stralsund, das Kreisdiakonische Werk Stralsund und der Familiensozialprojekte-Verein. Der Jugendhilfeausschuss ist eines der wenigen Gremien, die ohne zusätzliches Votum des Kreistages Beschlüsse fassen können. Er entscheidet unter anderem über die Verteilung des Geldes für Schulsozialarbeit oder Einzelleistungen wie beispielsweise Zuschüsse für Projekte und Fahrten. Maik Trettin

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