Junge Dohlen erhalten einen Ausweis für die Wissenschaft

Selten haben in den eigens für die Bergener Dohlen aufgestellten Nistmasten so viele Jungvögel das Licht der Welt erblickt wie in diesem Jahr. Das zeigte die kürzlich stattgefundene Beringung der Nestlinge. „In den beiden Kolonien am Umspannwerk des regionalen Energiedienstleisters e.dis AG an der Putbuser Chaussee und auf dem Gelände der Rügener Werkstätten des DRK-Kreisverbandes konnten dieser Tage 95 kleinen Schreihälsen der Ring der Beringungszentrale Hiddensee sowie ein aus größerer Entfernung ablesbarer Farbring angelegt werden“, sagt der Rügener Ornithologe Matthias Bräse, der sich seit vielen Jahren mit den possierlichen Krähenvögeln mit den wasserblauen Augen beschäftigt. Pro Brut wurden 2015 etwas mehr als drei Jungdohlen beringt. In anderen Jahren lag diese Zahl meist um etwa zwei Jungdohlen pro erfolgreicher Brut. Aus einem Nistkasten konnte Mathias Konrad von der e.dis AG, der den Krähenvögeln mit einer mobilen Hebebühne in luftigen Höhen einen unerwarteten Besuch abstattete, sogar fünf Jungdohlen zur Beringung entnehmen. „Unterstützung kam bei dieser Aktion einmal mehr von der e.dis AG, die schon im Winter dafür sorgte, dass die maroden Nistkästen auf dem DRK-Gelände durch neue Kästen ausgetauscht wurden und auch die Beringungsaktion technisch wie auch personell unterstützte“, freut sich Matthias Bräse über das Engagement des regionalen Energieversorgers, der den Rügener Ornithologen seit vielen Jahren bei seiner ehrenamtlichen Arbeit im Dienst der Wissenschaft unterstützt. Die neuen Kästen hatten zuvor die Rügener Werkstätten des DRK-Kreisverbandes hergestellt. Umso erfreulicher, dass in diesen neuen Kästen auch gleich 18 Jungdohlen aufgewachsen sind. „Die Tiere werden in den nächsten Tagen den Sprung ins Erwachsenenleben wagen. Allerdings werden einige der Jungdohlen die ersten Tage nach dem Verlassen der Kästen nicht überleben“, weiß Matthias Bräse aus Erfahrung zu berichten, denn durch die seit 2006 erfolgende Farbberingung konnte auf Rügen nachgewiesen werden, dass im Schnitt etwa 50 Prozent der ausfliegenden Jungdohlen diese schwierige Phase nicht überleben. „Dafür gibt es viele Ursachen. Die Jungdohlen sind in den ersten Tagen nach dem Verlassen des Nistkastens oft noch nicht flugfähig und hüpfen am Boden umher. Beutegreifer wie Steinmarder, aber vor allem auch die zahlreich herumstreunenden und verwildertenHauskatzen sind daher eine große Gefahr“, sagt Experte Matthias Bräse. Welche negative Rolle Katzen spielen, zeigt sich an der Brutkolonie in der Bergener Friedensstraße in der Nähe des Bahnhofs. „Nur wenige Jungdohlen, die dort die Nistkästen verlassen haben, sind später noch einmal lebend beobachtet worden. Ganz im Gegensatz zur Kolonie in der Putbuser Chaussee“, weiß Bräse zu berichten, denn nirgends ist die Dichte der streunenden Hauskatzen höher als am Bahnhof und seinem Umfeld. „Hier hat falsch verstandene Tierliebe fatale Folgen für bedrohte wildlebende Arten. Denn auch wenn man es kaum glauben mag, aber in Ostdeutschland entwickelt sich der Brutbestand dieses faszinierenden Rabenvogels rückläufig“, mahnt Matthias Bräse. In dieser Situation sind so hohe Verluste durch Beutegreifer, die es unter normalen Verhältnissen nicht geben würde, sehr problematisch. Baumbrüter gibt es unter den Dohlen auf der Insel Rügen nur ausnahmsweise — zuletzt im Putbuser Park. Gelegentlich erfolgt auch ein Brüten im Bereich der Steilküste am Kap Arkona. Das Ausweichen auf Gebäudenischen brachte nur vorübergehend einen Aufschwung bei den Dohlen. Vor allem der Boom bei der Gebäudesanierung seit der Wende hat viele Schornstein-Brutplätze gekostet. Daher werden schon seit Mitte der 1990er Jahre gemeinsam mit dem Stromversorger e.dis viele neue Nistangebote unterbreitet. Die stabilen Dohlenbestände auf der Insel Rügen sind also auch Ergebnis der erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen Ornithologen und der e.dis AG. Der Dohlen-Bestand auf Rügen 200 Brutpaare der zu den Rabenvögeln zählenden Dohle nisten auf der Insel Rügen. Der größere Teil davon in eigens für die Vögel ausgebrachten Nistkästen, da ihnen die früheren Nistplätze streitig gemacht wurden. Mit Blick auf den eher rückläufigen Gesamtbestand der Dohle (rund 100000 Brautpaare) in Deutschland macht Rügen eine positive Ausnahme, da die Brutbestände hier als stabil gelten. Dohlen haben wasserblaue Augen, gelten als lernfähig und intelligent. Im Mittelalter wurden die Dohlen mit Hexen in Verbindung gebracht. Vor allem durch die Bücher von Konrad Lorenz über das Sozialverhalten der Dohlen wurden die Vögel bekannter. Rico Nestmann

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