Lärm im Rügener Wohngebiet: Mieter streiten um ihre Nachtruhe

Karsta Krüger reichte es. Wegen fortgesetzter Lärmbelästigung beschwerte sie sich gemeinsam mit vier weiteren Mietern im Aufgang ihres Hauses in Bergen-Rotensee beim Vermieter. Grund sind Ruhestörungen – vor allem durch Kinder der sechsten Familie. Weil die einen Migrationshintergrund hat, verwahrten sich die Beschwerdeführer dabei vorsorglich auch gleich gegen den etwaigen Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit. „Seit zweieinhalb Jahren ist bekannt, dass die Familie jeden Abend ab 22.30 Uhr nicht die Nachtruhe einhält“, klagt sie. Dabei ginge es nicht etwa um Partylärm. Vielmehr würden die vier und fünf Jahre alten Söhne der Familie bis spät in die Nacht laut durch die Wohnung toben. „Manchmal geht das bis ein oder zwei Uhr früh“, sagt Karsta Krüger. Sie selber wäre zwar erst im November hochschwanger eingezogen, die älteren Mieter würden aber seit Jahren unter den Bedingungen leiden. „Mittlerweile habe ich ein vier Monate altes Baby und bin froh, wenn es durchschläft. Außerdem befindet sich meine große Tochter im Abschlussjahr und braucht ebenfalls ihren Schlaf.“ Polizei verweist an Wohnungsgesellschaft: Hinweise an die Familie wären folgenlos geblieben. Zu der nächtlichen Ruhestörung wäre auch noch Lärmbelästigung in der Mittagszeit gekommen. „Ab 14 Uhr ist Remmidemmi“, sagt die junge Mutter. Mittlerweile empfindet ihre Familie es schon als beabsichtigte Provokation, wenn der Staubsauger mit Beginn der Mittagsruhe röhrt oder Schuhe und Kinderwagen im Treppenhaus den Weg verstellen. Die Polizei, die sie in ihrer Not angerufen habe, würde schon nicht mehr anrücken. „Die Polizei verweist uns dann an die Wohnungsgesellschaft.“ Deswegen hätte sich die Mietergemeinschaft an die Bergener Wohnungsgesellschaft (BeWo) gewandt. „Wir wissen leider keinen anderen Ausweg mehr.“ Sozialarbeiterin vermittelt bei Streitigkeiten: Ralf Großmann ist Herr über 2400 Wohnungen und kennt solche Probleme. „Für die, die sich von Lärm betroffen fühlen, ist die Situation natürlich unangenehm“, weiß der BeWo-Geschäftsführer. „Wir gehen dem nach, weil wir natürlich Interesse am reibungslosen Zusammenleben haben. In solchen Fällen erlegen wir den Beschwerdeführern Störprotokolle auf, die Art, Umfang und Zeitpunkt der Störung dokumentieren. Die sollten dann von mehrere Mietparteien unterzeichnet werden. Die Aufgabe habe dann eine seit 20 Jahren in dem Haus wohnende Mieterin übernommen und der Gesellschaft zugesandt, erzählt Karsta Krüger. Die BeWo lud daraufhin zu einer Mieterversammlung. „Anlass ist die Einhaltung der Hausordnung und das Zusammenleben in Ihrer Hausgemeinschaft“, hieß es in der Einladung. Anschließend habe es jedoch nur eine kurzfristige Verbesserung gegeben, so Karsta Krüger. Deswegen hätten sie und ihre Nachbarn schließlich eine Mietminderung von je 50 Euro monatlich angekündigt. „Wir wissen leider keinen anderen Ausweg mehr“, sagt die junge Mutter. „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt“, ließ Friedrich Schiller seinen Wilhelm Tell sagen. Zwar gibt es nicht so viele Streitigkeiten unter Nachbarn, wie gemeinhin angenommen wird, aber wenn ein Konflikt auftritt, kann er das Leben der Parteien unter Umständen nachhaltig beeinträchtigen. Konflikte unter Nachbarn, wie es sie in Wohnanlagen der BeWo und der Wohnungsgenossenschaft „Rugard“ in Bergen-Süd und Rotensee gibt, waren daher unlängst auch Thema in der Sprechstunde, die der Bürgerbeauftragten des Landes in Bergen abhielt. Die Genossenschaft beschäftige eine Sozialarbeiterin, die sich auch um solche Fälle kümmere, sagt Rugard-Geschäftsführer Carsten Richter. Die würde zunächst mit dem Beschwerdeführer und dann mit dem vermeintlichen Ruhestörer sprechen. „Manchmal ergeben sich dann schon Lösungsansätze“, weiß Richter. 217 Polizeieinsätze wegen Lärmbelästigung: Einsätze wegen ruhestörenden Lärms machen für die Polizei einen eher kleinen Teil ihrer Einsätze aus, sagt deren Sprecher Mathias Müller. 217 Einsätze im Zusammenhang mit unzulässigem Lärm fuhren seine Kollegen in diesem Jahr. „Die Zahl der Gesamteinsätze auf Rügen liegt derzeit bei etwa 9700. Die Einsätze mit Anlass ‚Ruhestörung‘ stellen also nur einen geringen Anteil von etwa zwei Prozent am Gesamtaufkommen dar.“ Schwerpunkte im Bereich des Polizeihauptrevieres Bergen bilden dabei die Stadt Bergen mit 32, Samtens mit zehn und Putbus mit acht Einsätzen. Insgesamt wurden dabei 21 Anzeigen gemäß Paragraf 117 Ordnungswidrigkeitengesetz aufgenommen. Schwerpunkte im Bereich des Polizeireviers Sassnitz bilden die Stadt Sassnitz mit 36, Sellin mit 17 und Binz mit 16 Einsätzen. Insgesamt wurden dort vier Anzeigen aufgenommen. Die Anzeigen werden an die Ordnungsämter weitergeleitet, die den Störern einen Bußgeldbescheid zusendet. „Die Dunkelziffer wird bei unzulässigem Lärm mit Sicherheit jedoch nicht allzu klein sein. Oftmals wird die Polizei erst gerufen, wenn man sich mit dem Störer nicht einigen kann oder es wiederholt zu massiven Beeinträchtigungen kommt“, so Müller. Gerade das Zusammenleben in Mehrfamilienhäusern führe häufig zu Beschwerden. So wie in den großen Bergener Wohngebieten. Im Fall von Karsta Kleist und ihren Mitstreitern stellte die Wohnungsgesellschaft der besagten Familie inzwischen eine Abmahnung zu und prüft weitere Schritte. Lesen Sie auch Sagard – Behörden greifen in Nachbarschaftsstreit ein – OZ – Ostsee-Zeitung Streit auf Rügen Sagard – Verhärtete Fronten: In Sagard spitzt sich Nachbarschaftsstreit zu – OZ – Ostsee-Zeitung Von Uwe Driest