Lütte Riemels öwer Luzipee un Handuhl

Haben Sie schon mal von Luzipee gehört? Nein? Aber bestimmt schon eine beobachtet. Das plattdeutsche Wort für die Libelle kennen vermutlich auch nur eingefleischte Plattsnacker — wie die vom Sassnitzer Klönklub. Der feiert am morgigen Sonnabend sein 30-jähriges Bestehen. Seit seiner Gründung 1983 treffen sich die rund 30 Mitglieder des Klubs immer am letzten Donnerstag im Monat und pflegen das Niederdeutsche. Das, sagt der langjährige Vorsitzende, Jürgen Rüting, sei nicht nur ein Dialekt, sondern eine eigenständige Sprache. Das hat er der Dame vom Finanzamt auch mal erklären müssen. Den Rechenschaftsbericht des Vereins hatte er auf Platt verfasst und dort abgegeben. Damit könne sie nichts anfangen, sagte die Finanzbeamtin und wollte das Papier zurückweisen. Dann müsse sie sich eben einen Übersetzer besorgen, entgegnete Rüting schmunzelnd — was sie schließlich auch tat. Das Plattdeutsche ist im Alltag der Insel mittlerweile fast zu einer exotischen Sprache geworden. Da, ist man sich im Vorstand des Klönklubs einig, seien die Zeiten früher wirklich anders gewesen. „Ich konnte anfangs nur Platt“, erzählt zum Beispiel Eva Teschke, die in Rusewase und Sagard aufwuchs. „Mir“ und „mich“ im Hochdeutschen richtig zu verwenden, fiel ihr deshalb als Schulmädchen anfangs schwer. „Im Plattdeutschen heißt das immer ,mi‘.“ Jürgen Rütings Eltern dagegen sprachen nur Hochdeutsch. Platt musste er gezwungenermaßen lernen. Nämlich bei den Fischern. „Die unterhielten sich nur auf Plattdeutsch.“ Ähnlich ging es seiner Frau Heide. Die frühere Lehrerin bekam ihre erste Stelle auf dem Land, in der Schule von Dettmannsdorf-Kölzow. „Mit Hochdeutsch kam man da nicht an. Mit Platt gehörte man aber gleich irgendwie dazu.“ Dabei ist es ganz egal, welchen niederdeutschen Dialekt man spricht. Hans Giertz stammt aus Stralsund, seine Frau wuchs im nur wenige Kilometer entfernten Franzburg auf. Und doch sprechen beide ein ganz unterschiedliches Platt. Das aber, versichern sie, ist weder in der Familie noch im Klönklub ein Problem. „Bei uns spricht jeder seinen eigenen Dialekt“, sagt Jürgen Rüting. Der 82-Jährige zählt zusammen mit seiner Frau Heide, mit Irma und Hans Giertz sowie Renate Berndt zu den „Klönklubern der ersten Stunde“. Günter Olm, der damals im Fischkombinat für die Feuerwehr und den Brandschutz zuständig war, rief über die Betriebszeitung Interessenten auf, sich zu melden. Olm war auch der erste Vorsitzende des Klubs, bevor er nach einem Jahr den Staffelstab an Jürgen Rüting weitergab. Der stand all die Jahre an der Spitze des Vereins und zieht sich jetzt aber in die „zweite Riege“ des Vorstands zurück. Sein Amt übernimmt der bisherige Stellvertreter Hannes Prestin (71). Am 29. März 1983 trafen sich „de Plattdütschen“ zum ersten Mal im Musikzimmer des Seemannsheims in Sassnitz. Seitdem hat die Musik eine gewisse Rolle im Klubleben gespielt: Jedes ihrer monatlichen Treffen eröffnen die Vereinsmitglieder mit einem Lied, am Ende erklingt immer „Wo de Ostseewellen“, die plattdeutsche „Hymne“ von Martha Müller-Grählert. Dazwischen gibt es jede Menge Niederdeutsches. Lesungen gehören dazu, zu denen Autoren wie Ursula Kurz, Klaus-Jürgen Schlettwein, Wolfgang Mahnke oder die Professorin Renate Hermann-Winter, die das plattdeutsche Wörterbuch verfasst hat, eingeladen werden. Aus dem Wörterbuch wählt der Vorstand ab und zu eines der selten gebrauchten Wörter aus — wie beispielsweise „Luzipee“ oder „Handuhl“ (Handfeger). Zu denen entwirft jeder Teilnehmer einen kleinen Vierzeiler und trägt ihn vor. Ein häufiger Gast ist Bürgermeister Dieter Holtz, der platt snackt. Auch Rätsel werden auf Platt gelöst oder Wissenswertes über Bräuche, Feste und Jahreszeiten vermittelt. Und dann sind da noch die Ausflüge, die der Verein organisiert. 30 Mitglieder hat er im Schnitt über die Jahre gezählt. Das jüngste ist 52. Die Jugend ist offenbar nicht so leicht für die Pflege der Sprache zu begeistern. Auch viele Kinder oder Enkel der Klubmitglieder bleiben lieber beim Hochdeutschen. Bei Auftritten wirbt der Klönklub weiter fürs Niederdeutsche — und für den Sassnitzer Klub. Hannes Prestin repräsentierte ihn bei der NDR-Sendung „Leuchte des Nordens“, Jürgen Rüting stellte im ARD-Buffet plattdeutsche Wörter vor. Dass man Plattdeutsch lernen kann, beweist Hannes Alber: Der gebürtige Sachse ist seit Jahren Mitglied im Klönklub. Und auch wenn man eine gewisse sächsische Einfärbung nicht leugnen kann: Der Hannes, attestiert ihm der Klönklub-Vorstand, spreche ein ordentliches Platt. „Späldäl“ gratuliert 1983 wurde der Sassnitzer Klönklub gegründet und bis zu dessen Ende vom Fischkombinat gefördert. Heute bekommt der Verein vorwiegend Unterstützung durch die Stadt Sassnitz. Zur Feier des Tages werden morgen auch Bürgermeister Dieter Holtz und seine Frau erwartet. Die „Plattdütsch Späldäl“ aus Stralsund gestaltet für die Jasmunder Niederdeutsch-Freunde ein kleines Programm. Wer im Verein Platt sprechen oder lernen möchte, kann sich an den Klönklub wenden. Treff ist jeden letzten Donnerstag im Monat im Gerhart- Hauptmann-Ring 50. Informationen ☎ 03 83 92/3 24 18 Maik Trettin

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