„Mit Herzklopfen und Abenteuerlust“

Die Störtebeker Festspiele in Ralswiek haben einen neuen Mann für die Inszenierung: Mit Thomas Schendel ist jetzt der dritte Regisseur in drei Jahren angeheuert worden. Zuletzt hatte der Schweriner Schauspieldirektor Peter Dehler den Job, vor ihm führte Regisseur und Schauspieler Kai Maertens das Darsteller-Team (die OZ berichtete). Beide hatten sich in Gesprächen mit der OSTSEE-ZEITUNG anfangs durchaus vorstellen können, länger für die Störtebeker-Aufführungen das Zepter zu schwingen. Zwischenmenschliche und berufliche Gründe ließen jedoch sowohl Maertens als auch Dehler bereits nach einem Jahr wieder ihren Hut nehmen. „Logisch, dass ich als Dritter da ganz vorsichtig bin“, sagt Thomas Schendel auf die Frage zu einem möglichen längeren Engagement in Ralswiek. „Wenn man das erste Stück gut hinbekommt, spricht aber nichts dagegen, es danach noch besser zu machen.“ Schendel ist spürbar beeindruckt von der Bühne und den Möglichkeiten, die sich sowohl Regisseur als auch Schauspielern bieten. „Die Störtebeker-Inszenierung ist wie ein Breitwandfilm“, schildert er die Eindrücke aus seinen Besuchen der Aufführungen im vergangenen Jahr. „Ich dachte dabei immer wieder an ,Indiana Jones‘, wo eine Menge Verrücktheiten passieren, die man der Handlung aber abkauft.“ Der Film-Effekt entstehe in Ralswiek auch durch das Spiel der Darsteller, die nicht ständig mit dem Gesicht zum Publikum agieren würden, sondern „ganz uneitel miteinander“. Angst vor der neuen Aufgabe, die man wegen der Einzigartigkeit der Ralswieker Bühne „nirgends trainieren“ könne, habe er keine. „Aber mit ein bisschen Herzklopfen gehe ich schon an das Ganze heran“, sagt Schendel. „Es ist aber vor allem spannend und ein Abenteuer.“ Der Regisseur und Schauspieler gibt sich aber auch selbstbewusst. „Ich arbeite sehr gerne und schaffe eine schöne Arbeitsatmosphäre“, sagt der 58-Jährige. „Das hat sich vielleicht herumgesprochen, und womöglich ist Intendant Peter Hick deshalb auf mich zugekommen.“ Schendel hält nichts davon, alles „über die Tränen und die Verzweiflung“ der Akteure zu erreichen. „Man kann die gleichen Ergebnisse über Freude erzielen.“ Gestern war der große, schmale Mann auf der Freilichtbühne am Jasmunder Bodden unterwegs. Er begutachtete die Aufbauten, tankte Atmosphäre. Bereits eine Woche vor Probenbeginn will er wiederkommen. „Dann möchte ich mit den Regieassistenten die Vorarbeiten bereden, die Bühne kontrollieren, meine eigenen Vorstellungen bedenken, Teambesprechungen durchführen“, kündigt er an. Von bösen Überraschungen bei den Proben halte er nichts. „Ganz im Gegensatz zu positiven“, sagt Schendel. Die verführten zu spontanen Einfällen, die die Inszenierung bereichern könnten. Mit Mario Ramos, der brillante Darsteller der meisten Störtebeker-Gegenspieler, ist Schendel bekannt. „Mit ihm habe ich bereits in Bad Hersfeld gearbeitet“, sagt er. „Auch Irene Christ kenne ich schon von früher. Sie ist neu im Team und spielt die leicht trunksüchtige Anverwandte der Herrscherin von Visby.“ Die Inszenierung „Aller Welt Feind“ hat am 20. Juni Premiere und wird bis zum 5. September gezeigt. Jens-Uwe Berndt

Ralswiek - „Mit Herzklopfen und Abenteuerlust“