Mit krabbelnden Krabben in Nantes an den Kochtopf

Was Krabbe auf Französisch heißt, weiß Stephanie Heise. „Crabe.“ Das hat die Insulanerin von Kochazubis in der Bretagne gelernt. Was fangfrische Krabben sind, hat die Köchin in spe auf dem Markt in Nantes erspäht. Die Krebstiere krabbeln dort noch in der Kiste, sagt sie und ist begeistert. Was heißt eigentlich krabbeln? Auch dafür haben ihre französischen Mitschüler auf Zeit die Übersetzung geliefert: Ramper — das A wird bei der Aussprache hinten im Rachen formuliert, klingt für Deutsche etwas nach O, das R am Ende wird verschluckt. „Es war einfach toll“, schwärmt die junge Insulanerin von ihrem Einsatz auf Zeit am französischen Herd. „Premiere geglückt und gelungen“, bringt Viola Ehrke-Timmel das Ergebnis des ersten Schüleraustauschs zwischen der Beruflichen Schule in Sassnitz und ihrer Partnerschule im französischen Machecoul, dem Lycée Professionnel Armand, auf den den Punkt. An der Partneschule in Frankreich absolvierten 12 Lehrlinge der Sassnitzer Schule ein Praktikum „Drei Wochen lang haben sechs Koch-Auszubildende und sechs angehende Fachkräfte für den Restaurant- und Hotelbetrieb die Küche im Nachbarland kennengelernt und dort selbst an Herd und Rezeption gestanden“, sagt Viola Ehrke-Timmel. Sie ist Fachlehrerin für Gastronomie an der Berufsschule in Sassnitz und hat als Projektleiterin die Delegation der jungen Leute von Rügen begleitet und betreut. Krabbe heißt Crabe — ganz unbeleckt seien die angehenden Köche sowie Restaurant- und Hotelfachleute des zweiten Lehrjahres nicht zu den neuen Partnern nach Machecoul, mit denen die Berufsschule Sassnitz erst im Mai diesen Jahres den Partnerschaftsvertrag besiegelte (OZ berichtete), aufgebrochen, betont Viola Ehrke-Timmel. „Denn das ganze klassische französische Menü ist auch bei uns an der Schule in Sassnitz Programm.“ Fachfranzösisch ist Bestandteil der Grundausbildung, bereits im ersten Lehrjahr lernen die Azubis aus dem Gastro-Bereich in der Muttersprache der Franzosen die wichtigsten Fachbegriffe für Essen, Trinken, Speisen und die Menüfolge der Haute cuisine aus dem Nachbarland kennen und sprechen, erläutert die Fachlehrerin, die seit 35 Jahren an der Sassnitzer Schule unterrichtet. „Diese Sprachkenntnisse waren eine Grundlage, mehr aber auch nicht“, schätzt Paul Franz, Koch-Azubi im zweiten Lehrjahr im Kurhotel „Badehaus Goor“ in Lauterbach realistisch ein. „Doch unsere Kenntnisse konnten wir gleich in der ersten Praktikumswoche auffrischen und erweitern. Da wurden wir zusammen mit Schülern vom Lycée Professional sogar gleich mit einem Einkaufszettel zum Markt nach Nantes geschickt.“ In der ersten Woche absolvierten die Insulaner einen Tandemkurs, vormittags nahmen sie am Unterricht teil, nachmittags lernten sie Machecoul und die Bretagne kennen mit ihren Sehenswürdigkeiten und lukullischen Leckerbissen. Auf der Austerninsel gab es zum Beispiel frisch aus dem Wasser geholte Meeresfrüchte, in einem Weinmuseum an der Loire lernten die Insulaner edle Tropfen kennen. „Trotzdem war es ganz schön anstrengend, schließlich haben unsere Lehrlinge in der zweiten und dritten Woche selbst gekocht“, skizziert Viola Ehrke-Timmel einen wichtigen Baustein des Austauschprogramms. In kleinen Lokalen und Pensionen vorwiegend in Nantes waren die Azubis im Einsatz. L‘ Embelle hieß das kleine Restaurant, in dem Stephanie Heise in Töpfe geschaut und mit gekocht und gebraten und flambiert hat. Ihre Erfahrung: „Die Frische der Produkte ist spitze und eine ganz andere als hier in Deutschland“, schwärmt sie. Die Franzosen seien Meister des Improvisierens — auch bei der Arbeit in Küche und am Herd. Allerdings bedeute Improvisation auch zeitweise Leerlauf und Rumstehen. Eine Philosophie auf Dauer sei das nicht für sie, gibt die junge Insulanerin zu. „Auch wenn es die als typisch deutsche Tugenden bezeichneten Dinge sind — ich mag Struktur und Pünktlichkeit im Arbeitsalltag.“ „Solche Erfahrungen erweitern den Horizont“, freut sich Dirk Reichel, Schulleiter der Beruflichen Schule des Landkreises in Sassnitz, über die erfolgreiche Praktikumspremiere, mit der die Schule ihr internationales Profil schärft. „Selbst bei uns in Sassnitz geht es sehr international zu“, betont Reichel. „Denn an unsere Schule werden zurzeit bereits rund 100 ausländische Schüler unterrichtet, die eine Berufsausbildung auf Rügen und in der Region absolvieren.“ Zusammen mit Viola Ehrke-Timmel schmiedet Dirk Reichel derzeit bereits Pläne für den Franzosenempfang. „Im kommenden Mai findet der Gegenbesuch statt. Dann werden Schüler unserer Partnerschule in Machecoul ein Praktikum an unserer Schule und in Betrieben auf Rügen absolvieren“, kündigt Reichel an. Internationale Schule 760 Auszubildende werden an der Beruflichen Schule in Sassnitz von 35 Lehrkräften unterrichtet. Der Schulalltag wird immer internationaler, denn von den 760 Lehrlingen kommen rund 100 aus dem Ausland, die eine Berufsausbildung auf der Insel und in der Region absolvieren. 370 Schüler besuchen das Lycée Professionnel Louis Armand in Machecoul, mit dem die Sassnitzer Berufsschule im Mai einen Partnerschaftsvertrag schloss. Der Unterschied: Während bei uns Azubis die praktische Ausbildung in einem Betrieb absolvieren, erlernen die Schüler den Beruf in Machecoul ausschließlich am Lycée, das sie zwei Jahre besuchen. Dort unterrichten 65 Lehrkräfte. Die Franzosen sind Meister des Improvisierens.“Stephanie Heise, Koch-Lehrling Udo Burwitz

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