Nach Brand in Lietzow: In ihrer Wohnung brach das Feuer aus

Der erste große Schock für die 13 Personen, die am 24. Dezember ihre Wohnungen verlassen mussten, ist verdaut. An diesem Tag schlugen Flammen aus einem Mehrfamilienhaus in Lietzow. Es ist nicht abgebrannt, aber derzeit nicht bewohnbar. Die Betroffenen sind an den Feiertagen bei Familien, Nachbarn und Freunden untergekommen. Das Feuer ist in der Wohnung von Pauline (33) und Ralf (35, sie möchten ihre Nachnamen nicht in der Zeitung lesen) ausgebrochen. Was den Brand ausgelöst hat, ist bisher unklar. Die Frau entdeckte es, als sie aus dem Bad kam. Ihr Freund war gerade in Sassnitz, um die restlichen Sachen für das Fest einzukaufen. „Ich war geschockt, als ich sah, was passiert war. Ich habe im Hausflur laut den Namen von einer Mitmieterin gerufen, die alle anderen Bewohner verständigt hatte. Ich setzte dann den Notruf ab“, sagt sie. Flammen loderten aus Fenstern: Dann ging alles sehr schnell. Ihr Freund und die Feuerwehren waren binnen weniger Minuten am Einsatzort. Zu diesem Zeitpunkt brannte es in der unteren Etage schon lichterloh. Flammen loderten aus Fenstern und hatten auch schon den Hausflur erreicht. Ein Grund, warum einige Bewohner das Haus über die Drehleiter verlassen mussten. Die 33-Jährige ist schwanger, erwartet im April das erste gemeinsame Kind mit Ralf. Deshalb wurden sie und noch eine andere Bewohnerin zur Kontrolle ins Sana-Krankenhaus gebracht. „Das war eine Vorsichtsmaßnahme. Es wurde gecheckt, ob wir zu viel Rauch eingeatmet haben. Zur Mittagszeit konnte ich die Klinik wieder verlassen“, sagt Pauline und ergänzt: „Alle Bewohner sind in Sicherheit und wohlauf. Das ist das Wichtigste, darüber bin ich heilfroh!“ Bei Freunden untergebracht: Bis auf ihr Handy, Portemonnaie und Mutterpass musste sie alles in der Wohnung zurücklassen. Ihr Freund rief bei einem bekannten Paar aus Bergen an und bat um ein Ladekabel. „Mein Handy war der einzige Kontakt zur Außenwelt. Alle wichtigen Telefonnummern waren dort eingespeichert. Es durfte nicht ausgehen“, sagte sie. Maibritt Graßl und Freund Jörg Hosang erfüllten ihr diesen Wunsch. Und auch noch mehr. Sie boten dem Paar sofort an, in eine Einliegerwohnung in ihrem Wohnhaus zu ziehen. „Für uns war es selbstverständlich, dass wir unseren Freunden helfen. Somit hatten sie von Anfang an eine große Sorge weniger“, sagt Maibritt Graßl. Ralf und Pauline wären auch bei ihren Familien untergekommen. „Die wohnen in Stralsund und Grimmen. Wir haben uns für Bergen entschieden, weil es die beste Lösung ist. Von dort ist es nicht so weit bis nach Lietzow“, sagt Ralf. Hilfsbereitschaft ungebremst: Kaum waren sie bei ihren Freunden angekommen, standen schon die ersten Rüganer mit großen Säcken vor der Tür. „Die Leute zeigen so eine Hilfsbereitschaft. Wir können es noch gar nicht realisieren, weil es so viel ist, was gespendet wurde“, sagt Pauline. Nachdem Daniel Kasprzyk, Bürgermeister der Gemeinde, eine Spendenaktion ins Leben gerufen hatte, war die Hilfsbereitschaft der Rüganer ungebremst. Selbst am 2. Weihnachtsfeiertag, wenn die Menschen üblicherweise mit ihren Familien zusammensitzen und Weihnachten feiern. Sie brachten Kleidung, Spielzeug und Elektrogeräte zum Lietzower Jugendclub. Seit Heiligabend ist das Haus zum zentralen Lager geworden. „Die Leute aus dem Ort stehen hier den ganzen Tag und sortieren die Sachen. Ich kann diese unglaubliche Hilfsbereitschaft gar nicht in Worte fassen“, sagt Ralf. Sportverein hat Spendenkonto eingerichtet: Für eine Familie aus dem Haus wurde direkt nach dem Brand eine private Spendenaktion gestartet. Pauline und Ralf machen in diesem Zusammenhang auf das Spendenkonto des Sportvereins Lietzow 99 aufmerksam, der die Geldspenden nicht auf eine, sondern auf alle fünf betroffenen Mietparteien aufteilen möchte. Lesen Sie auch: Nach Brand in Lietzow: Welle der Hilfsbereitschaft auf Rügen „Dass Geld gesammelt wird, ist schön. Wir wollen uns damit aber nicht bereichern. Das Geld ist für den Fall gedacht, dass die Versicherung den Schaden nicht bezahlt. Wenn sie aber später doch zahlt, würden wir alles doppelt und dreifach bekommen. Das möchten wir nicht. Das können wir mit unserem Gewissen nicht vereinbaren“, sagt der 35-Jährige. Sollten alle auch finanziell glimpflich aus dem Brandfall kommen und alles bezahlt sein, ist es die Idee der Mittdreißiger, das Geld an andere hilfebedürftige Menschen weiterzugeben. So haben sie es mit den anderen Familien aus dem Haus am Sonnabend besprochen. „Müssen nicht bei Null anfangen“: Pauline und Ralf konnten einen Blick durch ihr Wohnzimmerfenster werfen und sehen, dass vieles, bis auf das, was durch das Löschwasser zerstört wurde, noch intakt zu sein scheint. Der Rauch hätte in ihrer und auch den anderen Wohnungen den größten Schaden angerichtet. „Wir haben Glück gehabt. Unsere Wohnung ist nicht vollständig ausgebrannt, sodass wir nicht komplett bei Null anfangen müssen“, sagt Ralf. Wenn er wieder die Wohnung betreten darf, möchte er auch so viele Sachen wie möglich retten und weiterhin verwenden. Er hofft, dass viele Dinge der Einrichtung und auch die Kleidung durch spezielle Reinigung noch zu gebrauchen sind. Spendenkonto: Kontoinhaber: Sportverein Lietzow 99 e. V. Verwendungszweck: HilfeLietzowWeihnachten2020 IBAN: DE40 1505 0500 0102 0986 46 BIC: NOLADE21GRW Von Mathias Otto