Nach Revolte: Händler planen eigenen Wirtschaftsrat für Bergen

Enttäuschung hat sich breitgemacht: Nach der Revolte von Bergens Kleinunternehmern vor zweieinhalb Monaten ist scheinbar wieder Ruhe eingekehrt. Dabei begann alles recht stürmisch, als 74 Gewerbetreibende in einem Schreiben an den Landkreis und das Rathaus den Niedergang der Innenstadt beklagten und der Politik Forderungen und Vorschläge vorlegten (die OZ berichtete). Die Antworten von Landrat Ralf Drescher und Bürgermeisterin Andrea Köster (beide CDU) seien erst einmal ernüchternd gewesen. „Der Landrat hat mit der Begründung zu hoher Kosten der Nutzung leerstehender Kreisimmobilien in der Innenstadt eine Abfuhr erteilt“, sagt CDU-Stadtvertreterin Anja Ratzke (39), die sich Ende April an die Spitze der unzufriedenen Kleinunternehmer gestellt hatte. „Das Rathaus lehnt wiederum die Gründung eines Wirtschaftsbeirats ab.“ Frank Lebahn (49) — er betreibt einen Einkaufsladen und einen Partyservice — lobt, dass es ein Aufeinanderzugehen durchaus gegeben hat. „Es kam zu einem Treffen mit der Bürgermeisterin“, sagt er. „Auf einige Sachen ist sie eingegangen, andere hat sie widerlegt — an denen müssen wir noch arbeiten.“ Und trotzdem: „So richtig finden wir nicht Gehör.“ Vor allem fürchte er, dass all die Ideen für ein innerstädtisches Konzept, die eine weitere Abwanderung von Einwohnern und Beschäftigten und der damit einhergehende Kaufkraftsverlust stoppen und womöglich umkehren sollen, viel zu langsam umgesetzt werden. „Wenn ich an die Arbeitsgruppe 2030 denke, kann ich nur sagen, dass es in zehn oder fünfzehn Jahren für uns alle längst zu spät ist.“ Anja Ratzke (39) spricht von ersten Zugeständnissen bei den Parkplätzen: Neue Stellplätze gebe es am „Möwenplatz“ vorm Eispalast, im Klosterhof, an der Bergener Wohnungsgesellschaft, vorm Ratskeller soll eine Fläche für Reisebusse entstehen, der Parkplatz des Rathauses soll für die Öffentlichkeit nutzbar gemacht werden... Doch Anja Ratzke geht das nicht weit genug. „Wir brauchen ein Konzept für den Tourismus, das die Vermarktung der Ortsteile mit einschließt“, sagt die Stadtvertreterin, die auch stellvertretende Kreisvorsitzende der CDU ist. Frank Lebahn erinnert in diesem Zusammenhang an die „einst hochtrabenden Pläne für eine Gesundheitsinsel“. „Das ehemalige Landratsamt eignet sich hervorragend, entsprechende Fachärzte zu gewinnen, die Grundvoraussetzung für ein Konzept aus medizinischer Betreuung und Urlaub sind“, sagt der Händler. „Die Bergener Bürger und die Stadtverwaltung können davon ausgehen, dass es die Interessengemeinschaft ,Bergener Innenstadt‘ entgegen jeglicher Behauptungen immer noch gibt“, sagt Anja Ratzke kämpferisch. Und Goldschmied Frank Neitmann fügt hinzu: „Wir werden die Hände jetzt nicht wieder in den Schoß legen und warten, das andere etwas tun.“ Das bekämen die Verantwortlichen spätestens dann zu spüren, wenn sich ein von der IG initiierter eigener Wirtschaftsrat zusammenfinde, der sich dann die Volkvertreter und Entscheidungsträger einlädt. Bürgermeisterin Andrea Köster begrüßt die Gründung der Interessengemeinschaft. „Gut, dass verstanden wurde, dass nur gemeinsam etwas zu erreichen ist“, sagt sie. „Die Gründung eines Wirtschaftsrats ist nicht Sache der Verwaltung. Auch die Stadtvertreter haben darüber zu befinden.“ Zu dem Thema sei längst nicht das letzte Wort gesprochen. Das Rathaus signalisiere weiterhin Gesprächsbereitschaft. Landrat Ralf Drescher war für die OSTSEE-ZEITUNG gestern nicht zu erreichen. Einige Forderungen der Gewerbetreibenden Kein weiterer Abzug von Arbeitsplätzen aus den Bereichen der Kreisverwaltung und einen Umzug der restlichen Verwaltungsbüros in innenstadtnahe Immobilien. Für den Markt wünschen sich die Gewerbetreibenden eine „sinnhafte Verkehrsführung“ mit Kreisel. Die politischen Entscheidungsträger sollen darüber hinaus die Erweiterung der Verkaufsflächen in Bergen verhindern, die Gewerbesteuer müsste gesenkt und ein Wirtschaftsbeirat eingeführt werden. Parkplätze: Die Händler wünschen sich an verschiedenen Punkten der Stadt mehr Möglichkeiten für Kunden und Touristen zum Parken. Jens-Uwe Berndt

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