Notärzte und Feuerwehr üben für Ernstfall

Von dem Ford Mondeo ist nicht mehr viel übrig. Das Auto-Gerippe wird aus dem Selliner Feuerwehrgerätehaus geschoben. Es ist der letzte Akt einer spektakulären Vorführung, bei der die Selliner Brandschützer einen Einsatz üben. Nicht allein. 91 Notärzte schauen ihnen dabei über die Schulter oder werden sogar auch selbst aktiv. Die meisten Mediziner halten dabei zum ersten Mal die 18 Kilogramm schwere Rettungsschere in der Hand. „Dieses Training ist immer wieder der Höhepunkt der Ausbildungswoche“, sagt Thomas Neuß. Der Rettungsassistent ist Mitorganisator des Notarztkurses, der mittlerweile zum 11. Mal auf Rügen stattfindet. Jeweils im Frühjahr und im Herbst veranstaltet das Lehrinstitut Rettungsmedizin Doktrain aus Itzehoe (Schleswig-Holstein) im Baaber Haus des Gastes eine Fortbildung, an der Notärzte aus ganz Deutschland teilnehmen. Im Vordergrund stehen dabei das Management von Notfallsituationen, die Erhöhung der Patientensicherheit und die Auseinandersetzung mit dem Einfluss der „Human Factors“ bei der Patientenversorgung unter realitätsnahen Bedingungen. Zum Abschluss des Kurses bekommen die Teilnehmer hautnah Einblicke in die Arbeit der Feuerwehrleute bei der Rettung von Verletzten nach einem Unfall aus dem Auto. „Die Zusammenarbeit ist wirklich sehr gut, wir freuen uns, immer hier sein zu dürfen“, lobt Neuß. Und auch Sellins Wehrführer Karsten Steinwedel freut sich: „Wir haben einmal mit 35 Leuten angefangen. Für uns ist ist die Zusammenarbeit optimal. Keine andere Feuerwehr schafft es, zweimal im Jahr ein Notfalltraining zu absolvieren.“ Es gehe vor allem darum, Verständnis für die Arbeitweisen und -abläufe der jeweils anderen Rettungskräfte zu bekommen. Auch soll die Koordination zwischen beiden Seiten verbessert werden. „So können wir im Ernstfall auch besser verstehen, was ein Notarzt von uns will und umgekehrt“, so Steinwedel. „Die Ärzte bekommen eine Vorstellung davon, wie schwer eigentlich die Technik der Feuerwehr ist. Da hilft kein Vortrag, das muss man live gemacht haben. Die Frauen sind immer die Ersten, die ranwollen“, weiß Thomas Neuß. Und so wird für das gemeinsame Training jedes Mal ein ausrangiertes altes Auto vor aller Augen gemeinsam zerschnitten. Das spendiere fast immer ein Kamerad der Wehr oder ein Sponsor, so Steinwedel. Der Wehrführer konnte sich zudem über einen nagelneues AED Gerät (Automatisierter Externer Defibrillator) freuen, das er von Thomas Neuß überreicht bekam. „Wir sind wahrscheinlich die einzige Wehr, die so ein Gerät hat. Das gehört nicht zur Ausstattung einer Feuerwehr“, freut sich Steinwedel. Das medizinische Gerät dient zur Behandlung von defibrillierbaren Herzrhythmusstörungen durch Abgabe von Stromstößen. Im Gegensatz zu Defibrillatoren aus dem Rettungsdienst oder Kliniken sind AEDs wegen ihrer Bau- und Funktionsweise besonders für Laienhelfer geeignet. Es ist nicht die erste medizinische Ausrüstung, die die Selliner Wehr in den letzten Jahren als „Gastgeschenk“ erhalten hat. Dazu gehören unter anderem auch ein Beatmungsbeutel, eine Augendusche, Bergetücher, Erste-Hilfe-Material und ein sogenanntes Spineboard, mit dem verunglückte Personen, bei denen Rücken- beziehungsweise Wirbelsäulenverletzungen vermutet werden, transportiert werden können. Kurse zweimal im Jahr Das Lehrinstitut Rettungsmedizin Doktrain aus Itzehoe (Schleswig- Holstein) veranstaltet zweimal im Jahr den Notarztkurs im Baaber Haus des Gastes. Die Weiterbildungen finden bereits zum elften Mal auf Rügen statt. Die Mediziner werden eine Woche lang von erfahrenen Referenten in 80 Stunden Praxis und Theorie ausgebildet. Alle deutschen Ärztekammern erkennen diese Lehrgangsform an. Am letzten Tag des Kurses gibt es als Höhepunkt immer eine gemeinsame praktische Übung mit der Freiwilligen Feuerwehr Sellin. Keine andere Feuerwehr schafft es, zweimal im Jahr ein Notfalltraining zu machen.“Karsten Steinwedel, Wehrführer Sellin Gerit Herold

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