OZ-Streitgespräch: Darüber stritten der Rügener Fischer und der Greenpeace-Aktivist

Wer stirbt in der Ostsee zuerst aus: der Fisch oder der Fischer? Auf diese Frage könnte man das Streitgespräch zwischen Greenpeace-Meeresbiologe Thilo Maack und dem Sassnitzer Fischer Alexander Steffen am Dienstag im OZ-Livestream reduzieren. Maack argumentierte unter anderem, dass die gefangene Dorschmenge in der westlichen Ostsee in den letzten Jahren auf ein Fünftel zusammengeschrumpft sei – wegen der starken Befischung. Steffen widersprach: Es gebe inzwischen nur noch wenige Fischer in MV, die zudem noch sehr geringe Fangquoten haben, so dass sie gar nicht in der Lage seien, den Dorsch zu gefährden. Er beobachte vielmehr, dass sich die Bestände erholten und auch die gefangenen Fische größer würden, so der Fischer. Schutz für Fischer: „Der Beruf Fischer muss geschützt werden, denn er ist eine aussterbende Art“, sagte Steffen am Ende der knapp 40-minütigen Diskussion, die von OZ-Chefredakteur Andreas Ebel geleitet wurde und live im Internet von rund 3000 Zuschauern verfolgt wurde. Er fürchte, dass es in fünf oder sechs Jahren keine Fischer mehr in MV gebe, sollte sich nichts ändern. Maack zitierte dagegen aus dem Meeresschutzbericht, wonach die Ostsee in einem sehr schlechten Zustand sei. Er forderte, Schutzzonen einzurichten, in denen gar nicht mehr gefischt werden darf, in denen sich die Bestände regenerieren können. Fischer Steffen zweifelt an dem Sinn von Schutzgebieten, da die Fischschwärme nicht an einem Standort blieben, sondern durch die Ostsee zögen. Für regionale Fischerei: Einig waren sich die beiden „Streithähne“ darüber, dass die größere Gefahr für die Fischbestände von den industriellen Fangflotten ausgehe. Regionale und handwerkliche Fischerei müsse dagegen gestärkt werden. Diesem Berufszweig stehe gerade einmal vier Prozent der Fangmengen zu, kritisierte Maack. „80 Prozent unseres Fisches wird importiert.“ . Es sei zudem unerträglich, dass viel Fisch gar nicht zum Verzehr gefangen wird sondern zu Fischmehl verarbeitet wird, um damit den Lachs in norwegischen Aquakulturen zu füttern. Dem stimmte Steffen zu. Auch er ist der Ansicht, dass Fisch zu billig gehandelt werde. OZ-Umfrage: Wären Sie bereit, für Fisch aus der Ostsee mehr zu bezahlen? Dabei seien Kunden durchaus bereit für regional gefangenen Fisch deutlich mehr Geld auszugeben, ist sich Maack sicher. Greenpeace arbeite daher mit entsprechenden Initiativen zusammen. „Wir sind ja keine Anti-Fischerei-Organisation, sondern eine Anti-Überfischungsorganisation“, so der Meeresbiologe. Fischer Steffen forderte Greenpeace auf, dies auch deutlicher in der Öffentlichkeit darzustellen. Mit Aktionen wie der Versenkung von Steinen vor Rügen entstehe bei der Bevölkerung der Eindruck, dass alle Fischer Umweltsünder seien. Dabei seien die Fischer ja selbst daran interessiert, dass die Ostsee nicht überfischt werde. „Wir wollen ja, dass auch noch die nächsten Generationen fischen können“, so Steffen. Derzeit könne er gar nicht mehr fischen, weil die Fangquoten für dieses Jahr bereits ausgeschöpft seien. Steine versenkt: Hintergrund des Streitgesprächs war die Aktion von Greenpeace im Juli, bei der die Umweltschutzorganisation zahlreiche Felsbrocken im Schutzgebiet Adlergrund vor Rügen versenkt hatte, um die Schleppnetzfischerei dort zu erschweren. Die Aktion war bei Fischern auf scharfe Kritik gestoßen, da die Fischerei in dem Gebiet nicht verboten sei. Die OZ hatte daher den Plan entwickelt, beide Seiten an einen Tisch zu bringen, damit sie ihre Argumente direkt austauschen können. Maack betonte, die letzte Aktion dieser Art in der Nordsee sei erfolgreich gewesen. Dort seien die versenkten Steine inzwischen in Seekarten als Hindernisse ausgewiesen. „Derzeit läuft ein Verfahren der EU-Kommission gegen Deutschland, weil die Schleppnetzfischerei bei uns einer der zerstörerischsten Faktoren für Steinriffe und Sandbänke ist.“ Steffen dagegen wies darauf hin, dass Fischer bereits viel täten, um die Bestände zu schützen. So gebe es sogenannte selektive Netze, mit denen etwa gezielt Flundern gefangen werden und aus denen Dorsche entkommen können. Auch würden größere Maschen verwendet, als gesetzlich vorgegeben sind. „Wir wollen keine Jungfische im Netz haben, denn wir wollen ja auch nächstes Jahr wieder Fische fangen.“ Lesen Sie auch Steinwurf-Aktion von Greenpeace vor Rügen: Haben die Umweltschützer Natur zerstört? Nach Greenpeace-Aktion in der Ostsee: Fischer protestieren in Sassnitz Von Axel Büssem