Pilgern auf Rügen: Die Insel fernab der touristischen Schönheiten erleben

Durchatmen, den Alltag mit all den derzeitigen Unwägbarkeiten hinter sich lassen, etwas für die Gesundheit tun, Freizeitaktivitäten außerhalb der eigenen vier Wände starten – gar nicht so einfach aufgrund der Corona-Pandemie. „Stimmt nicht“, ist Heike Seelenbinder überzeugt. Wandern abseits touristischer Zentren: Die 55-Jährige aus Sassnitz ist ehrenamtliche Pilgerkoordinatorin auf der Insel Rügen. Und ihrer Meinung nach, ist genau jetzt die richtige Zeit fürs Pilgern. Trotz oder gerade wegen des typisch grauen, diesigen Novemberwetters. Mit dem rügenschen Teil des Pilgerweges der „heiligen Birgitta“ kann Deutschlands größte Insel mit einem großen Plus punkten: Sowohl Tagestouren als auch mehrtägige Auszeiten, beispielsweise übers Wochenende, haben die Rügener beinahe vor der Haustür. Insgesamt rund 75 Kilometer lang ist der „Weg der heiligen Birgitta“ auf der Insel Rügen, der in Gänze Lund in Schweden mit Mecklenburg-Vorpommerns Landeshauptstadt Schwerin verbindet. Abwechslungsreiche Landschaften, Wege zum Teil fernab der touristischen Hochburgen und Regionen der Insel: „Es gibt viele interessante Dinge zu sehen, die selbst Einheimische vielleicht noch nie gesehen beziehungsweise noch nicht so wahrgenommen haben“, ist Heike Seelenbinder überzeugt. Mecklenburg-Vorpommern ist ein Land zum Entdecken. Sie suchen Inspiration für Ihren nächsten Ausflug? Egal ob Spaziergänge, Radtouren oder Spielplatz-Rallys: Die OSTSEE-ZEITUNG sammelt die besten Freizeittipps für alle Aktiven im Land – für Einheimische und Urlauber – für Familien mit Kindern oder auch nur für Erwachsene. Schauen Sie einfach auf www.ostsee-zeitung.de/freizeittipps vorbei. Hier finden Sie Vorschläge untergliedert nach Regionen zwischen Grevesmühlen und Usedom. Wenn aus Wanderern Pilger werden: Wanderwege, wie es sie im Nationalpark Jasmund gibt oder auf der Halbinsel Mönchgut, sind längst keine Geheimtipps mehr. Obgleich sie genauso erlebenswert sind. Und nicht auszuschließen sei, dass man sich als Wanderer auf den Weg mache und als Pilger heimkehre. Denn Pilgern, so meint Heike Seelenbinder, sei nichts anderes, als sich beim Wandern mit sich selbst auseinanderzusetzen, das Bewusstsein für das Tolle an den elementaren Dingen, wie dem eigenen Dach über dem Kopf, Kleidung, Wärme und Nahrung zu schärfen. Um sich dessen bewusst zu werden, braucht es eben nicht die bekannten Schönheiten der Insel. „Pilgern bedeutet, sich auf den Weg zu machen“, sagt Heike Seelenbinder. „Möglichst mit einem Gedanken“, fügt sie hinzu. Und das nicht nur bei Sonnenschein. Gerade das derzeitige graue Herbstwetter mit Wind, Regen und Kälte sei das ideale Wetter, weil es einem mehr abverlange und, wie die zurückgelegte Wegstrecke mit ihren Herausforderungen auch, umso mehr verdeutliche, wie gut es einem doch eigentlich gehe. „Außerdem stärkt es den Menschen“, sagt sie. Jede Strecke hat ihren Reiz: Zwischen acht und 21 Kilometer lang sind die einzelnen Strecken, von denen es laut Wanderführer „Pilgerweg der Birgitta“ sieben verschiedene gibt. „Und jede hat ihren Reiz“, sagt Heike Seelenbinder. Welche die Schönste ist? Da will sie sich nicht festlegen. Zwischen Sassnitz und Lietzow über Mukran – 15 Kilometer lang – sei es der Weg durch den Wald. Zwischen der Inselhauptstadt Bergen und Garz (17,5 km) gebe es dagegen noch Stätten, an denen man sich um Jahre zurückversetzt fühle. Und zwischen Garz und Stralsund über Altefähr sind es die Gutshäuser, wie jenes in Gustow, und Kirchen, wie beispielsweise die Garz oder Poseritz, die sehenswert seien. „Und natürlich die Sicht auf die Hansestadt Stralsund“, schwärmt sie. Lesen Sie auch: Freizeit-Tipps in MV für Corona-Lockdown: Das geht trotz Einschränkungen Tipps für Aktivitäten in Stralsund und Umgebung Von der Couch hoch und los: Heike Seelenbinder selbst, damals noch in einem Hotel in Neddesitz tätig, machte sich 2013 erstmals auf den Weg. „Quasi von der Couch hoch und los“, sagt sie. Ganz so war es nicht, einen Monat Vorbereitungszeit hat sie sich gegönnt, bevor sie sechs Wochen durch Spanien gepilgert ist. Der Grund: „Ich hatte einfach die Zeit dafür, hab mich auf den Weg gemacht“, sagt sie. Und eben das empfiehlt sie: Einfach losgehen. „Dabei geht es nicht darum, wie lange man unterwegs ist, sondern viel mehr, dass man in Bewegung ist und sich mit sich selbst beschäftigt“, sagt sie. Mittlerweile hat sie viele Pilgerwege beschritten – spanische, portugiesische, auch den italienischen von Florenz nach Rom und natürlich schon mehrmals jene auf der Insel Rügen. „Nach meiner ersten Reise ist das Pilgern zur Sucht geworden“, sagt sie. Wanderführer zeigt gesamten Birgitten-Weg auf: Angst, sich zu verlaufen, muss man auf Deutschlands größter Insel übrigens nicht zu haben. Denn der Pilgerweg ist mit dem weißen Birgittenkreuz auf der Jakobsmuschel, der Muschel auf blauem Grund oder auch gelben Pfeilen gekennzeichnet. Wer sich vorab informieren möchte, findet zahlreiche Informationen in dem im Frühjahr erschienenen Wanderführer „Pilgerweg der Birgitta“. Die Rügener Pastorin Ellen Nemitz und Autorin Sandra Pixberg aus Altefähr haben ein Buch verfasst, das in 21 Tagesetappen den Birgitta-Pilgerweg von Lund in Schweden bis nach Schwerin beschreibt. Sie geben detaillierte Etappenbeschreibungen, GPS-Daten und zu jeder Etappe mindestens eine günstige Übernachtungsadresse – wenn vorhanden, eine Unterkunft speziell für Pilger. Hinzu kommen Informationen zu Supermärkten, Gastronomie und Rastplätzen. Erhältlich ist dieser Pilgerführer (ISBN: 978-3-941681-57-6) unter anderem im Pfarramt in Altefähr. Von Anja Krüger