Pleite in Sicht: Kreistag nimmt Rotstift zur Hand

Mit dem Rotstift gegen die Pleite. Die Sparvorgaben des Landkreises Vorpommern-Rügen für die Jahre bis 2020 stehen fest. Der Kreistag hat am Montagabend in Stralsund dem Haushaltssicherungskonzept mit großer Mehrheit zugestimmt. Darin ist Punkt für Punkt aufgelistet, wie die finanzielle Schieflage des Kreises gerade gerückt werden soll. Und es ist beschrieben, wie ernst die Lage ist: Ohne die Maßnahmen wäre das Eigenkapital bis 2020 aufgebraucht und der Kreis damit pleite. „Sparen tut immer weh. Aber wir sind in dem Konzept noch milde nach dem Prinzip Zukunft vorgegangen. Es kann sein, dass wir noch nachsteuern müssen. Vielleicht auch härter“, sagte Landrat Ralf Drescher (CDU). Vor allem in den Bereichen Soziales und Bildung soll der Rotstift angesetzt werden. Für Diskussionsstoff sorgte beispielsweise das Vorhaben, den Schulbus- Zuschuss für jene Eltern zu streichen, die ihr Kind an eine örtlich nicht zuständige Schule schicken. Den hatte noch der alte Kreistag beschlossen — erst 2012. „Wir greifen ein in manche Geschenke, die wir in den letzten Jahren gemacht haben. Aber wir können uns nur das leisten, was wir auch finanzieren können“, sagte der Abgeordnete Andreas Kuhn (CDU). Hier versuchte gestern Olaf Manzke die Wogen zu glätten. „Das Konzept zeigt auf, wo gestrichen werden könnte. Das muss noch einmal einzeln diskutiert und mit Einzelbeschlüssen untersetzt werden“, sagte der Kreissprecher. Bei den Betroffenen schrillen trotzdem die Alarmglocken. „Wir hoffen nicht, dass das so kommt, denn unsere Einrichtung besuchen viele Fahrschüler von der gesamten Insel“, machte Heike Balzer, Projektkoordinatorin der Freien Schule Rügen in Dreschvitz, deutlich. Sollte aber der Zuschuss tatsächlich gestrichen werden, müsse die Schule das irgendwie auffangen. „Vielleicht bilden wir eine Solidargemeinschaft“, sagte Balzer. Im gesamten Landkreis wären 1605 Schüler und deren Eltern vom Streichen des Zuschusses betroffen, auf der Insel Rügen 508. Der Rotstift könnte auch in der Kreisvolkshochschule zum wichtigsten Arbeitsmaterial werden. Innerhalb von zwei Jahren, so steht es im Konzept, sollte der Zuschuss (derzeit 989000 Euro) um 15 Prozent gesenkt werden. Um den Betrieb aufrecht zu erhalten unumgänglich: Gebühren werden erhöht, Kurse fallen weg. Die Streichorgie könnte auch vor Wohnheimen und Internaten keinen Halt machen. Für die Insel Rügen würde dies bedeuten: Das Internat der Förderschule in Sassnitz ist bereits zum nächsten Schuljahr zu schließen. Das Wohnheim der Beruflichen Schule in Sassnitz bis dann zu privatisieren. Gleichzeitig wird im Haushaltssicherungskonzept empfohlen, einen so genannten zentralen Ermittlungsdienst einzuführen. Der sieht vor, dass Außendienstmitarbeiter in den Wohnungen von behinderten Menschen überprüfen sollen, ob erbrachte Sozialleistungen gerechtfertigt sind. „Hier wird von einem Generalverdacht ausgegangen, dass Leistungen erschlichen werden“, kritisierte Claudia Müller (Grüne). In vier oder sechs Jahren überschuldet 70 Millionen Euro betrug zum 1. Januar 2012 das Eigenkapital des Landkreises. Werden bis 2020 keine Konsolidierungsmaßnahmen eingeleitet, hätte der Kreis nach Angaben der Verwaltung sein Eigenkapital bis dahin aufgebraucht — Pleite. Bei stetigen Haushaltsdefiziten drohe diese bereits früher — 2018. Grundsätzlich solle die Umsetzung des Haushaltskonsolidierungskonzeptes durch Beschlüsse zu den jährlichen Haushaltsplänen erfolgen. In einige Fällen sind gesonderte Beschlüsse nötig. Alexander Müller und Chris-Marco Herold

Stralsund - Pleite in Sicht: Kreistag nimmt Rotstift zur Hand