Quo vadis Rügen: Zurück zur Natur oder mehr Infrastruktur?

Bergen — Das Thema beschäftigt Rügen seit der Wende: Was wird aus der Insel, die sich einst in weiten Teilen recht urig präsentierte? Pläne gab es viele. Sogar den, die gesamte Insel zum Nationalpark zu machen. Punktuell sieht es allerdings heutzutage anders aus: Straßen wurden und werden gebaut, die Zahl der Hotels und Feriensiedlungen nahm zu, und allerorts machen Überlegungen die Runde, wie man am besten von noch mehr Touristen partizipieren kann. Das geht einher mit Ideen, den Urlaubern noch mehr Angebote zur Zerstreuung zu bieten — also zu bauen. Und der Weg dorthin soll ihnen so einfach wie möglich gemacht werden — also bauen. Dafür fallen nicht selten Bäume. Ist das der richtige Weg für die Insel? Rügens Landes- und Bundespolitiker sind von der OSTSEE-ZEITUNG zu diesem Thema befragt worden. Quo vadis Rügen: Noch mehr Infrastruktur oder zurück zur Natur? Kerstin Kassner (Linke), Burkhard Lenz (CDU) und Ingulf Donig (SPD) haben sich Gedanken gemacht. Was sagen unsere Enkel? Ja, manch einer träumt davon, auf der Autobahn bis ans Kap zu rasen, den Leuchtturm zu umrunden und zurück geht‘s vorbei an tausend Ferienwohnungen vielleicht mit Zwischenstopp auf einem künstlichen Bauernhof und rauf auf die nächste Insel. Das ist Trend, aber nicht Rügen! Wir müssen aufpassen, dass nicht Geld und Kurzsichtigkeit die Insel zu betonieren. Schätzen wir, dass an vielen Stellen eine Infrastruktur entstanden ist, um die uns andere beneiden und viel Erhaltenswertes liebevoll saniert wurde. Dies muss nun auch gepflegt — oder mit Bedacht erweitert und vervollständigt werden: zum Beispiel Radwege, schnelles Internet, Schulen, altersgerechte Wohnungen . . . Generell brauchen wir aber einen kritischeren Umgang mit der Frage, was uns Einwohnern tatsächlich nutzt und was der Umwelt der Insel auf Dauer zuträglich ist. Was werden unsere Enkel zu unseren Taten sagen? Ich spüre den Rügener Phantomschmerz für das Fehlen einer gemeinsamen Diskussions- und Austauschplattform über das Wohin von Rügen und wünsche mir, dass der Landschaftspflegeverband, Insula Rugia, der Tourismusverband oder auch der Städte- und Gemeindetag hier aktiver Impulse setzen würden. Ich bin gern bereit, dies zu unterstützen. Kein Ungleichgewicht Zuerst sollten wir uns immer das Leitbild des Tourismusverbandes Rügen von 2011 ins Gedächtnis rufen: Keine Neubauten auf der grünen Wiese! Im Zusammenhang mit der Genehmigung von Bauvorhaben muss man deutlich machen, dass die Planungshoheit bei jeder einzelnen Kommune liegt. Diese halten sich an genehmigte Flächennutzungspläne, in denen die Entwicklung von Flächen im Gemeindegebiet festgeschrieben wurde. Unabhängig davon bin ich froh, dass in vielen Kommunen in den zurückliegenden 20 Jahren eine Vielzahl von Altbestand an Gebäuden aufwändig saniert wurde. Ein überschaubarer Teil konnte leider nicht mehr gerettet werden und es musste neu gebaut werden. Heute müssen wir feststellen, dass es einen großen Markt von Eigentumswohnungen gibt, die in die Ferienvermietung gehen oder aber als Altersruhesitz benutzt werden. Ich glaube, wenn wir junge Menschen begeistern wollen, nach Rügen zu ziehen, müssen wir anspruchsvolle Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe und im Pflegebereich sowie im Tourismus und bei Dienstleistungen anbieten. Das bedeutet, dass eine Vielzahl von jetzt überwiegend leer stehenden Ferienwohnungen als Mietwohnungen angeboten werden. Das Verhältnis von Infrastruktur und Natur ist nicht im Ungleichgewicht. Die bauliche Entwicklung hat, bis auf einige Ausnahmen, in den Ortslagen stattgefunden. Kein „Zurück“ Seit 25 Jahren zerbrechen sich Tourismus- und Verkehrsexperten sowie Naturschützer den Kopf darüber, wieviel die Insel Rügen einerseits an Infrastruktur verträgt ohne andererseits ihr großes Pfund, die Natur, immer mehr zu verlieren. Für mich steht fest: Die B96n muss bis Kubbelkow fertiggestellt werden. Ob der Ausbau der zwei Kilometer von Strüssendorf nach Ralswiek sinnvoll ist, mag ich bezweifeln. Die Durchlassfähigkeit des Verkehrs bestimmt dann doch wieder Lietzow. Stattdessen erscheint mir dann doch eine Umgehung von Bergen biss Karow und weiter nach Prora und Mukran gerade mit Blick auf die Zahl der Schwertransporte als sinnvoll. Das Problem wird hier die Trasse Karow-Prora sein. Auch da die Menschen zu immer mehr Kurzurlauben tendieren, ist es aber wichtig, durchlässige Verkehrsanbindungen zu schaffen. Zurück zur Natur würde bedeuten, wir organisieren einen Rückbau bisheriger Leistungen. Das wird wohl keiner ernsthaft wollen. Bewahren wir jedoch die verbliebenen Naturräume. Sie sind der Grund, weshalb die meisten Urlauber nach Rügen kommen. Naturräume sind zudem auch Kulturräume. Der Trend, seinen Lebensabend auf Rügen zu verbringen, stellt Fragen nach mehr Kulturangeboten sowie an die Mobilität im Alter. Für Rügen gibt es ein regionales Entwicklungskonzept, einen Leitfaden, der stetiger Anpassung bedarf. Jens-Uwe Berndt

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