Reittherapie auf Rügen: Auf dem Pferderücken ist Kiara glücklich

Wenn Kiara auf dem Pferd sitzt, wird aus dem hilflosen kleinen Geschöpf ein übermütiges Mädchen, das Reittherapeutin Synke Winter auch schon mal die Mütze vom Kopf zieht. „Ich bin deswegen überglücklich über die Spende“, sagt Melanie Bartscht. „Das reicht aus, um ein weiteres Jahr Reitstunden zu nehmen“, freut sich die dankbare Mutter über die Zuwendung aus der Weihnachtsaktion „Helfen bringt Freude“, bei der der Verein „KinderLachen009 Rügen“ und die OSTSEE-ZEITUNG Spezialtherapien für schwer erkrankte Kinder auf der Insel Rügen unterstützen. Außerdem ist ein großes Kinderfest im kommenden Jahr geplant. Für Kiara nahm Melanie Bartscht am Montag einen Gutschein für 50 weitere Einheiten bei Reittherapeutin Synke Winter auf Hof Viervitz entgegen. Vorsitzende des Vereins ist Antje Coordt. Sie war Kiara vor zwei Jahren zum ersten Mal begegnet. „Ich bin heute positiv überrascht vom Fortschritt in der Entwicklung des Kindes“, sagt die Putbusser Ärztin. Die Kleine kann heute fast aus eigener Kraft stehen und einige langsame Schritte machen. Auch die Lichtempfindlichkeit des Kindes sei nicht mehr so ausgeprägt, hat die Mutter bemerkt. „Das zeigt mir, dass man auch im Fall einer so schweren Behinderung nicht aufgeben muss“, sagt Antje Coordt. Stabilität hat sich deutlich verbessert: Vorteilhaft sei in Kiaras Fall auch gewesen, dass sie nicht die geringste Angst vor dem großen Tier gehabt habe. „Als Kiara zum ersten Mal das Pferd sah, war sie begeistert und wollte sofort zu ihm“, bestätigt die Mutter. Auch die Stabilität im Rumpf habe sich deutlich verbessert. Das sei natürlich ein Resultat aller Maßnahmen, denn Kiara erhält zusätzlich zur Reittherapie auch Physio- und Ergotherapie. Lesen Sie auch Schwerstbehindertes Mädchen genießt die Pferde-Therapie in Bremerhagen Rügen: Reittherapie tut der kleinen Kiara gut – OZ-Leser helfen Rügener OZ-Weihnachtsaktion: Hippo-Therapie macht Mensch und Tier glücklich Die Sechsjährige leidet seit ihrer Geburt an dem seltenen Gendefekt „GNB1“, der erst vor einigen Jahren erforscht wurde. Wie ihre Mutter erfahren hat, sind nur 90 bis 100 Kinder weltweit von dieser Krankheit betroffen. Kiaras Erkrankung wurde vor vier Jahren in der Berliner Charité der Gendefekt erkannt. Neben der Entwicklungsverzögerung haben sich außerdem noch Epilepsie, Autismus und ADS bemerkbar gemacht. Seit ihrem dritten Lebensjahr ist das Mädchen regelmäßig Gast auf dem Reiterhof in Viervitz, wenn das therapeutische Reiten ansteht. Kinder sind glücklich auf dem Pferderücken: „Leider werden die Kosten für diese Therapie von den Krankenkassen nur selten übernommen, so dass die Familie die wöchentlichen Einheiten von jeweils 30 Minuten selber finanzieren muss“, kritisiert der Verein. Dessen Mitglieder boten Hilfe an und finanzierten seit dem Jahr 2018 viele Reitstunden. Auch die zehnjährige Chayenne wurde bei der Spendenvergabe bedacht. Sie konnte ihre Spende am Montag nicht persönlich entgegennehmen, weil sie überraschend ins Krankenhaus musste. Chayenne war bis zu ihrem sechsten Lebensjahr ein gesundes Mädchen. Dann machte ein HUS-Keim sie krank. Das schwerstbehinderte Mädchen genießt die Pferde-Therapie ebenfalls. Wenn Pferde sie berühren oder sie sogar auf ihnen sitzen darf, ist sie glücklich. Beeindruckende Leistung der alleinerziehenden Mütter: Ebenso wie Melanie Bartscht ist auch Chayennes Mutter Doreen Zimmermann mittlerweile alleinerziehend und pflegt ihre Tochter selbst. Ihren Beruf als Verkäuferin hat sie aufgegeben. Umso größer ist der Aufwand der Mütter für die Pflege der Kinder. „Ich bin 24 Stunden am Tag in Alarmbereitschaft und musste Kiara schon mehrfach aus der Schule abholen, weil es gesundheitliche Probleme gab“, erklärt Melanie Bartscht. Der „wirklich beeindruckenden Lebensleistung“ der Mütter zollt Antje Coordt den größten Respekt. Die Mühen lohnten sich aber. „Es kann Erfolge geben, wenn sich alle im Umfeld des Kindes bemühen und sich gegenseitig unterstützen. Hier auf Hof Viervitz können wir unmittelbar sehen, wie die Hilfe unseres Vereins wirkt. Nach Corona möchten wir gern für eine gemeinsame Mutter-Kind-Kur sorgen, damit sich auch die Mutter einmal etwas erholen kann.“ Von Uwe Driest