Rügen: Neues Lebens soll in Rambin ins Kloster einziehen

Das Gelände liegt verwunschen im ersten Licht des Tages, Tautropfen schillern auf den uralten Obstbäumen. Dazwischen: Roter Backstein, verwunschenes Relief. Das Dach der kleinen Kapelle ist von Moos überwachsen, Holzpfeiler stützen das Mauerwerk. Es ist ein kleines Wunder, dass dieser älteste Teil dieser Kapelle nachweislich aus dem Jahr 1334 stammt und immer noch steht. Robert Kammerer steht vor der alten Holztür und schiebt den Schlüssel ins Schloss. Gemeinsam mit seinen Vereinsgenossinnen Sabine Guhrke, Monika Schwinkendorf und Viola Werther betritt er die Kapelle, das Morgenlicht wirft bunte Kringel durch die Glasfenster auf den Boden. Dann beginnen sie, angeregt diskutierend, Ausdrucke auszulegen: Vorbereitungen für den großen Tag der offenen Tür, der am 13. September, am Tag des offenen Denkmals, stattfinden soll. Geburtsort war Stein des Anstoßes: „Es wird vor allem ein Rundgang durch die historisch gewachsenen, einmaligen Gärten und Anlagen“, erklärt Monika Schwinkendorf. Sie ist Gründungsmitglied des Vereins „Häuserverein Leben ins Kloster Rambin“ und setzt sich schon seit zwei Jahren dafür ein, dass die vergessenen Gebäude und die außergewöhnliche Gartenanlage nicht länger verfallen. „Ich habe Rambin 2016 entdeckt, als eine Rettungsinitiative für das Pfarrhaus, in dem mein Mann geboren wurde, uns hierher geführt hat. Das Spital und die Gärten mit ihrer langen Geschichte haben mich sofort angesprochen: Das Konzept des gemeinschaftlichen Lebens mit Selbstversorgung aus den Gärten ist heute noch aktuell.“ Das Kloster in Bildern: Wohnen ohne Heizung: Schnell fanden weitere Interessierte zur Gruppe, wie Viola Werther und Sabine Guhrke. Beide waren auf der Suche nach Orten für das gemeinschaftliche Wohnen im Alter. „Dabei soll das auch ein lebendiger Anlaufort für junge Leute sein und sich organisch in die Ortsgemeinschaft Rambin einfügen“, wünscht sich Sabine Guhrke. Die 67-Jährige aus Brandenburg ist die Vorsitzende des Häuservereins. Rügen ist für sie schon seit der Kindheit Wahlheimat: „Ich habe unzählige Ferien hier verbracht und bin mit dem Zug hunderte Male an dem Gelände vorbeigefahren. Fasziniert hat es mich schon immer“, gesteht sie. Besonders die Naturnähe des Ortes mag sie. Viola Werther hat schon Ernst gemacht: Seit anderthalb Jahren wohnt sie auf dem Gelände in einer der noch bewohnbaren Wohnungen. „Es ist eine Herausforderung“, gesteht die 57-Jährige schmunzelnd. Seit 18 Jahren wohnt die Thüringerin schon auf der Insel und hofft, in Rambin ihre Heimat gefunden zu haben. „Ich habe mich bei der ersten Besichtigung schockverliebt und nehme seither kaputte Fenster und das Heizen mit dem Ofen in Kauf. Und es soll ja nicht so bleiben, daran arbeiten wir.“ Gemeinsam hat der Verein ein Konzept entwickelt, das die Sicherung der Gebäude und den Ausbau zu Wohneinheiten beinhaltet. Die Kapelle soll der Öffentlichkeit als kultureller Veranstaltungsort zur Verfügung stehen. Nun arbeiten sie an der Einigung über die Erbpacht mit der Hansestadt Stralsund, der das Gelände seit 2002 gehört. Refugium für Lepra-Kranke: Auf rund 2,4 Hektar Land verteilen sich verschiedene Wohn- und Scheunengebäude, Gartenparzellen und eine Streuobstwiese. „Das Besondere ist, dass diese Anlage in ihrer Gesamtheit noch aus dem 14. Jahrhundert stammt. Damals ist das Ensemble als Hospiz für Leprakranke angelegt worden“, erklärt Robert Kammerer. Er hat sich schon im Stralsunder Stadtarchiv durch alte Unterlagen gekämpft, um die Geschichte des Klosters auszugraben. „In dieser Form gibt es das nur noch sehr selten in Deutschland, obwohl solche Einrichtungen in ihrer Zeit wie Pilze aus dem Boden schossen und nichts Ungewöhnliches waren. Lepra war die Seuche dieser Zeit. Aber wer die Krankheit hatte, galt als von Gott geprüft und als besonders befähigt, für seine Mitmenschen zu beten. Daher spendeten die Menschen an die Stifte, die im Gegenzug für sie beteten. Arm waren diese Einrichtungen also meist nicht“, meint Kammerer. Doch der Glanz der Zeit verging mit dem Einzug der Pest: Die Stifte waren nicht mehr nötig und verfielen. „Doch hier in Rambin wurde die Anlage weiter genutzt und blieb in der ursprünglichen Form erhalten. Natürlich wurde die Bausubstanz immer wieder erneuert. Aber die Nutzung der Gebäude und Gärten blieb ähnlich: Alte und Alleinstehende konnten sich hier einkaufen und gemeinsam leben. Doch viel Geld war nicht mehr da – es ging sozusagen vom Siechenhaus zum Armenhaus.“ In Absprache mit Denkmalschutz Gebäude instand setzen: Bis 1949 hatte die Stiftung Bestand, auch danach wurden die Gebäude weitergenutzt, umfangreiche Sanierungen fanden zuletzt in den 1970er bis 80er Jahren statt. Mittlerweile sind nur noch vier der 20 möglichen Wohneinheiten bewohnt, von den fünf Wohngebäuden sind nur zwei bewohnbar. „Wir möchten in Absprache mit dem Denkmalschutz diese Gebäude sanieren und wieder instand setzen, die anderen drei Gebäude wollen wir sichern und erst im zweiten Schritt in Angriff nehmen. Es wäre schade, wenn sie gänzlich verfallen würden, nicht nur historisch, auch ökologisch“, sagt Monika Schwinkendorf. Das wird am Tag der offenen Tür geboten: Zum Tag des offenen Denkmals am 13. September ist das Gelände des Klosters St. Jürgen vor Rambin von 10 bis 17 Uhr auch für Besucher zugänglich. In Spaziergängen kann das Gelände mit Park und Gartenparzellen erkundet werden, auch die Kapelle steht einem Besuch offen, natürlich unter Einhaltung der Corona-Maßnahmen. Wer Interesse hat, in der Initiative mitzuwirken, kann sich auf der Webseite des Vereins informieren: https://klosterrambin.wixsite.com/meinewebsite Lesen Sie auch Guts- und Herrenhäuser in Mecklenburg - ostsee-zeitung.de Vorpommerns Gutshäuser aus der Vogelperspektive Schloss- und Gutshaus-Retter in MV – OZ - Ostsee-Zeitung Von Gaia Born