Rügener Jugendliche zu Corona: "Mitschüler werden wie Geister"

Jede Bevölkerungsgruppe hat ihr ganz eigenes Corona-Päckchen zu tragen, alle Menschen sind irgendwie von den Auswirkungen der Pandemie betroffen. Experten sind sich allerdings einig, dass Jugendliche zu den Menschen gehören, die mit am meisten unter der Krise und den Einschränkungen leiden. Die Selliner Schülerin Elisa Jäger (15) erzählt der OZ von ihrem Corona-Alltag, was ihr wirklich fehlt und was sie an ihrer Generation nicht schätzt. Wie ist die Stimmung unter Jugendlichen derzeit? Ich habe kürzlich den Begriff „pandemiemüde“ gehört, das trifft es ganz gut, finde ich. Dazu kommt eine zunehmende Gereiztheit. Keiner hat mehr Bock. Das Thema Corona bestimmt den Alltag, egal wohin man sieht. Bei vielen macht sich auch ein gewisser Trotz und eine Bitterkeit bemerkbar. Der und der Star lässt sich ausfliegen, der darf zum Friseur. Dazu kommt natürlich auch noch, dass man seine Freunde kaum noch sieht. Sonst trifft man die ja häufig in der Freizeit. Hand aufs Herz: Haltet ihr euch an die Kontaktverbote? Naja. Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt die, die sagen, „mir ist das egal“, und sich einfach mit den Freunden weitertreffen wie bisher und die anderen, die sich wirklich zurückhalten und versuchen, sich an die Regeln zu halten. Ich kann beide Seiten verstehen, das ist ein großer Zwiespalt. Natürlich möchte man seine Freunde sehen, am liebsten viele, aber mich ärgert dieses Verhalten auch. Das sind oft genau die Leute, die genervt aufstöhnen, wenn Mutti Merkel den Lockdown verlängert. Danke, denke ich dann, ihr helft ja nach Kräften mit, dass es so weitergeht. Das klingt nach keinem guten Zeugnis für deine Generation. Das kann man sicher nicht verallgemeinern. Aber es ist manchmal eine Art Doppelmoral, die ich in der Generation Z nicht mag. Auch als die Fridays-for-Future-Proteste aufkamen, ist mir das aufgefallen. Es ist gut, dass man sich mehr Gedanken um die Zukunft macht und die Welt verbessern will. Inwieweit das im eigenen Leben umgesetzt wird, ist aber oft die Frage. Lesen Sie auch Jugendliche in der Pandemie: Wie belastet ist die Generation Corona? Junge Greifswalder und Corona: „Möglichkeit, Welt zu entdecken, fehlt“ Studie: Corona-Krise ist für Kinder und Jugendliche eine starke psychische Belastung Apropos Schule. Es gab ja Zeugnisse vor den Ferien. Wie war’s? Ich bin mit dem Zeugnis zufrieden. Man hat aber schon den Eindruck, dass die Noten ein bisschen besser ausgefallen sind als normal. Es war eben schwerer zu bewerten, im Zweifelsfall wurde dann eher zur besseren Bewertung tendiert. Ich weiß nicht, ob sich das wirklich gut anfühlt. Ich gehe auf eine Gesamtschule, das heißt, dass man entweder nach der 10. Klasse abgehen kann oder den Gymnasialzweig besucht. Gerade die Schüler, für die es in diesem Jahr um den Abschluss geht, machen sich große Sorgen. Zumal wir viel Stoff aufholen mussten, der uns durch den ersten Lockdown verloren gegangen ist. Zum Teil sind es sehr viele Aufgaben, die wir eigenständig zu bestimmten Abgabeterminen erledigen müssen. Das überfordert viele. Viel Freiheit hört sich doch toll an – was ist das Problem? Das klingt für Erwachsene vielleicht komisch, aber es ist ein Riesenproblem für die meisten Schüler, ihren Tag alleine zu strukturieren. Die wenigsten Eltern haben die Zeit, sich ständig zu kümmern. Wenn man als Schüler im Bett liegenbleiben kann, dann macht man es eben auch. Aufgaben, die bis zum Ende der Woche anstehen, selbstständig am Montag zu machen erfordert unglaubliche Disziplin. Ich muss mich jeden Morgen zwingen, um 9 Uhr aufzustehen und an die Aufgaben zu setzen. Kaltes Duschen hilft dabei, aber leicht ist das nicht. Andere haben aber mittlerweile einen ganz anderen Tag- und Nachtrhythmus und sind dann vom späten Mittag bis früh in den Morgen wach, das sehe ich an den Uhrzeiten, zu denen mich Nachrichten erreichen. Vielleicht etwas naiv, aber sollte es nicht eigentlich um 8 Uhr mit dem Homeschooling per Videoschaltung losgehen? Es gibt einige Livelehrveranstaltungen, die liegen dann aber eher auf dem späten Vormittag. Es besteht häufig weder Kamera- noch Mikropflicht. Das hat zur Folge, dass man auch nicht aufgeräumt am Schreibtisch sitzen muss. Ich weiß, dass von einigen Schülern in dieser Zeit auch gerne mal andere Dinge erledigt werden. Das ist total respektlos, ja. Aber wir sind Teenager. Wird generell telefoniert oder sich geschrieben? Das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich, denke ich. Ich bevorzuge Messengerdienste und nutze dabei Sprachmitteilungen. Das ist so eine Art Mittelding. Aber bei wichtigen Dingen schreibe ich lieber. Da kann man dann noch mal draufgucken. Was hat sich bezüglich deiner sozialen Kontakte geändert? Man hat mehr Kontakt zu den engen Freunden, mit denen man ohnehin viel zu tun hat und auch tiefere Gespräche führt. Durch das Homeschooling hat man aber viel weniger Kontakt zu anderen Mitschülern, mit denen man jetzt nicht so eng befreundet ist, die werden dann wie Geister. Ich habe keine Ahnung, was die machen oder wie es denen persönlich geht. Sonst hat man ja mal bei Gruppenarbeiten miteinander zu tun oder einfach beim Smalltalk. Diese Vielfalt an unterschiedlichen Menschen und Meinungen fehlt doch. Was willst du als erstes machen, wenn die Corona-Einschränkungen aufgehoben werden? Ich würde mich einfach gerne mit vielen Freunden treffen. Ganz normal. Wir sitzen rund um eine Parkbank, lachen, quatschen und machen Blödsinn. Das fehlt mir sehr. Und ich würde meine Großeltern in Halle besuchen, da komme ich nämlich her. Bei der Gelegenheit könnte man natürlich auch durch die Stadt bummeln und meinem Lieblings-Second-Hand-Laden einen Besuch abstatten und etwas shoppen. Am allerliebsten mit Freundinnen. Von Anne Ziebarth