Rügens Tourismuschef: Strafgebühr für neue Betten

Das Corona-Jahr 2020 war für den Tourismus Rügens eine emotionale Achterbahnfahrt. Doch wie geht es weiter auf der Insel? Knut Schäfer, der Vorsitzende des Tourismusverbands Rügen, hat mit der OSTSEE-ZEITUNG über das vergangene Jahr, die Notwendigkeit einer Tourismusabgabe und ein zentrales Marketing für die Insel gesprochen. 2020 ist vorbei. Wie geht es den Touristikern? Das von Corona geprägte Jahr war in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich und eine riesige Herausforderung für alle, die mit Tourismus zu tun haben. Angefangen von möglichen Berührungsängsten mit Gästen aus anderen Regionen über die zu erstellenden Hygienekonzepten bis hin zu ständig neuen Vorschriften. Unterm Strich haben wir durch den Sommer und das Reiseverhalten in Krisenzeiten aber vieles aufholen können, wir haben doch noch eine gute Saison hingelegt. Im Mai zum Beispiel gab es kein freies Bett mehr auf der Insel, das ging schon in Richtung Massentourismus. Im Jahr ist auch die Tourismuszentrale Rügen (TZR) aufgelöst worden, einst der Hoffnungsträger für eine Vermarktung der Gesamtinsel. Was ist passiert? Die Idee der TZR ist daran gescheitert, dass nur sechs von 39 Gemeinden mitgemacht haben, teilweise aus finanziellen Gründen, teilweise aufgrund von individuellen Vorbehalten. Auch die Entscheidung, das Spaßbad mit in die TZR einzubringen, stieß sicherlich bei einigen Gemeinden auf Unverständnis. Dennoch gebührt den sechs Gemeinden Dank, dass sie stellvertretend für die anderen Nichtzahler über fünf Jahre das Tourismusmarketing getragen haben. Heute ist die TZR eine Infrastrukturgesellschaft für Mönchgut-Granitz und läuft erfolgreich. Das ist ein gutes Beispiel für intensive Zusammenarbeit in der Region. Davon hat der Rest der Insel aber nichts. Wer übernimmt die Aufgaben der TZR? Für ein wirklich erfolgreiches touristisches Marketing braucht es eine Klammer, die die ganze Insel Rügen und dazu auch noch Stralsund umfasst. Das Land fordert für touristische Regionen in einem Gutachten eine sogenannte DMO, eine „Destination Management Organisation“, an deren Vorhandensein künftig auch die Vergabe von Fördermitteln geknüpft werden soll. Derzeit können diese Aufgaben für Rügen nicht der touristischen Bedeutung entsprechend bearbeitet werden. Angefangen beim Qualitätsmanagement bis hin zum Destinationsmarketing und den fehlenden zentralen Ansprechpartnern für Politik und Landestourismus. Der Fakt, dass Rügen eine inselweite Neuorganisation benötigt, ist nicht zu diskutieren und sollte jedem bewusst sein. Ist das nicht auch Aufgabe des Tourismusverbands? Natürlich hat der Tourismusverband zunächst die wichtigsten Aufgaben der TZR übernommen, zum Beispiel führt sie die gemeinsame Internetpräsenz ruegen.de weiter. Aber: Nur 15 Gemeinden sind aktuell Mitglied im TVR, auch die personelle und finanzielle Ausstattung des Verbands beziehungsweise der angeschlossenen Baltic Project GmbH ist derzeit bei weitem noch nicht dafür ausgelegt, die definierten Aufgaben einer Managementorganisation im Sinne einer DMO innovativ und zukunftsgerichtet zu übernehmen. Ein in Auftrag gegebenes Gutachten der Hamburger Agentur Projekt M und Baker Tilly bietet Lösungsansätze. Die Baltic Project GmbH könnte zum Beispiel in eine Tourismusgesellschaft Rügen-Stralsund umfirmiert werden und weitere Träger bekommen. Andere Ansätze sehen die Verantwortung direkt beim Landkreis Vorpommern-Rügen oder die Ansiedlung des inselweiten Marketings beim Zweckverband Wasser und Abwasser Rügen (ZWAR). Wie teuer wäre so eine Organisation und wer soll die Kosten übernehmen? Die finanzielle Grundausstattung so einer Organisation würde nach einem Landesgutachten bei mindestens 1 Million Euro im Jahr liegen, für Rügen eher 1,4 Millionen. Die Finanzierung dieses Budgets ist abhängig vom Trägermodell. Fakt ist aber, dass wir verpflichtende Zahlungen der Städte und Gemeinden der gesamten Insel Rügen brauchen – zum Beispiel durch eine Tourismus-Umlage der Städte und Gemeinden, die sich aus der Bettenzahl errechnet. Wichtig: Dort würden dann auch privat vermietete Betten mit einbezogen werden. Die Kommunen hätten die Möglichkeit, diese Beiträge durch ihre Fremdenverkehrsabgabe zu refinanzieren. Lesen Sie auch Lockdown: Hoteliers in Vorpommern schreiben auch die Winterferien ab Hiddensees Bürgermeister an Zweitwohnungsbesitzer: Bitte bleibt zu Hause Nun ist ja nicht jeder Ort zertifiziert. Einige Orte haben keine Einnahmen aus Kur- und oder Fremdenverkehrsabgaben. Ich denke, man muss sich von dem Gedanken lösen, nur einzelne Orte als „Kurort“ oder „Seebad“ zu zertifizieren, stattdessen könnte man ja Amtsbereiche als Grundlage oder auch eine „Tourismusregion Rügen“ definieren. Auch ein Prädikat „Tourismusort“ ist denkbar. Wichtig ist, dass die Gemeinden die Möglichkeit bekommen, touristische Ausgaben wie Beschilderung oder Radwegebau als Pflichtaufgaben anzugeben. Denn wenn eine Gemeinde unter dem Haushaltssicherungskonzept steht, und das sind einige auf der Insel, darf sie sonst kein Geld dafür ausgeben. Man könnte auch über ungewöhnliche weitere Finanzierungsmaßnahmen nachdenken, wie beispielsweise eine Art „Strafzahlung“ der Investoren für neu errichtete Betten um ein unkontrolliertes Bettenwachstum zu verhindern. Aber der Ferienhaus-Bauboom ist doch ungebrochen? Das dürfte für Protest sorgen. Es ist mittlerweile auch schon ein Umdenken sichtbar, ich denke da zum Beispiel an Lohme, wo das geplante große Gesundheitshotel nach dem Willen der Gemeinde dann eben nicht gebaut wurde. Wir müssen künftig viel mehr darauf achten, dass die Tourismusakzeptanz bei der Bevölkerung nicht kippt. Die Bevölkerung ist ein Teil der gesamten Region und Kultur und schlussendlich für den Erfolg des Tourismus maßgeblich. Es ist frustrierend, wenn beispielsweise ein Einwohner aus Gingst in Binz Tageskurabgabe zahlen muss. In Binz jedoch muss diese Einnahme zum Erhalt der Infrastruktur kalkuliert werden. Das könnte mit einer Gesetzesänderung auf Landesebene zur Aufweitung der sogenannten Befreiungstatbestände aber gelöst werden. Es geht um ein Solidarprinzip, was in Summe aber viele wirkliche Innovationen ermöglicht. Wir brauchen viel mehr Ideen und Innovationen, die Urlauberzahlen auf der Insel sind gut, aber wir müssen weiter denken. Schließlich verwalten wir die Insel auch nur treuhänderisch für unsere Kinder. Eine Tourismus-Abgabe klingt nach einer Menge Überzeugungsarbeit? Unabhängig von einer Abgabe und von deren Höhe und Verwendung, ist der erste und wichtigste Schritt, dass sich alle Entscheidungsträger aller 39 Städte und Gemeinden auf der Insel ihrer Verantwortung für die touristische Bedeutung Rügens bewusst werden. Auch zum Wohle der Einwohner sollte von Verantwortlichen eine tragfähige, inselweite Tourismusstruktur befördert werden. Es gibt auf Rügen keinen Ort ohne touristische Bedeutung und kein Ort kann allein im Wettbewerb bestehen. Das sollte uns allen, nicht zuletzt durch die Corona-Krise, bewusst geworden sein. Inseldenken darf nicht an der Gemeindegrenze aufhören. Man denke nur an gemeinsame Planungen von Radwegen und Events wie den Wanderfrühling. Wie schauen Sie auf das Jahr 2021? Die große Frage, die im Moment alle Touristiker umtreibt, ist, ob und wie wir das Ostergeschäft mitnehmen können. Das wird vermutlich eine kurzfristige Entscheidung werden, die schnelle Reaktionen und Planungen erfordert. Aber wenn man auf das letzte Jahr schaut: Auch das haben wir schon einmal geschafft. Ansonsten wird uns das Thema Corona auch im kommenden Jahr begleiten, damit verbunden aber auch eine weitere Nachfrage nach Aktivitäten draußen in der Natur. Radfahren, Wandern, Orte individuell entdecken: So etwas kann man super auch Corona-gerecht mit Abstand unternehmen. Für uns ist das eine Riesenchance, denn Rügen bietet in puncto Aktivurlaub mehr als andere Tourismusregionen. Und ich hoffe sehr, dass die Störtebeker Festspiele stattfinden. Die gehören zum Tourismus auf Rügen dazu. Von Anne Ziebarth