Schubertiade, Weltmusik und Wiener Klassik

„Allein die Zugabe war das Eintrittsgeld wert“, schwärmte ein begeisterter Zuhörer der Schubertiade in der Putbuser Orangerie. — „Wer die Musik liebt, kann nie ganz unglücklich werden“, lautete das Motto von Franz Schubert. Dem Wiener Komponisten war das Konzert des Festspielfrühling Rügen am Montag gewidmet, das Matthias Schorn (Klarinette) und Ariane Haering (Klavier) mit dem von Schubert ursprünglich für Klavier und Gesang komponierten und von Jacques Offenbach für Klarinette arrangierten Lied „Leise flehen meine Lieder“ eröffneten. Es folgten Klaviertrio und Oktett für Streicher, Klarinette, Fagott und Horn, wobei die Hornistin Marie-Luise Neunecker kurzfristig für den erkrankten Markus Höller einsprang. Anschließend hatten Kulturstiftung Rügen sowie das Ehepaar Rüdiger und Gudrun Kind zu „Heurigem“ und Büfett in die Orangerie geladen. Die dort wie entfesselt aufspielenden Violinisten Sebastian Gürtler und Benjamin Schmidt sorgten für ein Überraschungskonzert. „Zum Weinen schön“ fand eine Zuhörerin das überaus gefühlvolle Stück, das die niederländische Cellistin Harriet Krigh und der finnische Pianist Jarkko Riihimäki spontan beisteuerten. Matthias Schorn, Soloklarinettist der Wiener Philharmoniker und Gründer des Weltmusikensembles Faltenradio, dürfte seine Fangemeinde bereits mit dem musikalisch anspruchsvollen und zugleich überaus amüsanten Konzert am Sonntag erweitert haben. Unter dem Titel „Schorny spielt auf!“ genoss ein begeistertes Publikum im ausverkauften Saal des Binzer Kurhauses eine bunte Melange aus Klassik und Wiener Lied, alpenländischer, finnischer und Balkan-Volksmusik, Tango und Blues. Darunter Lieder von Georg Kreisler („Das Mädchen mit den drei blauen Augen“) oder Eigenkompositionen, die amüsante Aphorismen enthielten wie „Glaube versetzt leider keine Schuldenberge“ oder „Wenn die Hoffnung zuletzt stirbt, wäre es blöd, wenn ich vor ihr sterbe“. Als Schorny als Hommage an den Wiener Pop-Sänger Falco dessen „Amadeus“ nicht nur hervorragend sang sondern auch mimte, stand der Saal Kopf. Verlebendigung Es gibt immer wieder jene Konzerte, die man in besonders gehobener Stimmung verlässt: Wenn es Interpreten gelungen ist, ein Werk in allen Details und als Ganzes zu entschlüsseln, um es dann mit der Kraft, der Reife, Vielfalt und Intensität eigener Gestaltungsfähigkeit zu vermitteln. In der Kapelle Vitt war Montag solche beeindruckende Fähigkeit zur Verlebendigung eines Notentextes zu erleben: mit der Cellistin Marie-Elisabeth Hecker und dem Pianisten Martin Helmchen. Beide sind Spitzenkönner — aber, was mehr besagt: Beide sind großartige, den Hörer mit der Kunst faszinierend nuancenreichen Interpretierens fesselnde Musiker. Selten dürften Beethovens Variationen über Mozarts „Bei Männern, welche Liebe fühlen“, seine 4. Cellosonate (op. 102/1) oder Brahms‘ F-Dur-Sonate (op. 99) derart kontrastreich, stringent, gefühlstief und inspiriert zu hören gewesen sein. Nichts zum genießenden Zurücklehnen bei angeblich „schöner“ Musik — eher der funkensprühende, aufwühlende, auch provokative Geist einer an Gattungsfesseln der Sonate rüttelnden großen klassischen Musik. Viel Stoff zu langem Nacherleben. Da hatte es abends der Schubert im Theater Putbus nicht so leicht. Der Umgang mit seinen gesanglich ausufernden „himmlischen Längen“ (Schumann) ist zwar tatsächlich eher etwas zum Zurücklehnen — aber nur aufwändiger realisierbar. Ekkehard Ochs Uwe Driest

Putbus/Binz/Vitt - Schubertiade, Weltmusik und Wiener Klassik