Seenotretter bergen mit modernem Netz

Andreas Schumacher und seine Kollegen fahren nicht wegen Dorsch und Hering hinaus aufs Meer. Wenn die Besatzung des Seenotrettungskreuzers „Harro Koebke“ das Netz auswirft, dann um Menschen an Bord zu hieven. Dazu haben sie sich jetzt ein modernes Hilfsmittel angeschafft: Zur Ausrüstung des Tochterbootes „Notarius“ gehört seit wenigen Tagen ein spezielles Rettungsnetz. Möglich wurde der Kauf durch eine Spende Rügener Unternehmer, die mit einer neuen Idee die Arbeit der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS), der der Seenotkreuzer gehört, unterstützen: Für jede Buchung, die in ihrem Tourismusunternehmen eingeht, wird ein Euro an die Seenotretter gespendet. 4000 Euro sind auf diese Art und Weise im ersten Halbjahr zusammengekommen. Ein Großteil des Geldes wurde für den Kauf des Rettungsnetzes eingesetzt, das das Bergen Schiffbrüchiger aus dem Wasser erleichtern soll. Es wird am Tochterboot „Notarius“ angebracht, das wiederum seinen Platz am Heck des Seenotrettungskreuzers hat und von dort im Bedarfsfall zu Wasser gelassen wird. Wenn ein Mensch bewusstlos oder stark unterkühlt im Wasser treibt, sollte er möglichst ebenerdig an Bord geholt und wenig bewegt werden, um ihn vor weiteren Verletzungen zu schützen. Viele Rettungsboote sind deshalb mit einer sogenannten Bergepforte ausgestattet, einer Art Tür in der Bordwand, über die der Verunglückte ins Boot geholt werden kann. Die „Notarius“ ist zum zusätzlichen Stabilisieren wie ein Schlauchboot mit einer rundum verlaufenden Luftkammer versehen, die nicht durch eine solche Pforte unterbrochen werden kann. Der Patient muss also über die Bordwand aus dem Wasser geholt werden. „Das soll so vorsichtig wie möglich geschehen“, sagt Bernd Beilfuß, Maschinist auf dem Rettungskreuzer. Das sei durch das neue Netz aus halbstarrem Material garantiert. „Beim Einholen bildet sich ganz von allein eine Rundung. Der zu Bergende liegt praktisch geschützt wie in einer Röhre und verletzt sich nicht.“ Das Bergen von Verletzten komme zum Glück nicht so häufig vor, sagt Andreas Schumacher. Andererseits würde die Besatzung des Kreuzers auch immer öfter Badegästen aus „Seenot“ helfen müssen. Bernd Beilfuß nickt zustimmend. „Wir hatten diesen Sommer ziemlich viele Einsätze, weil Schwimmer ihre Kräfte über- und die Ostsee unterschätzt haben und abgetrieben sind. Die kamen aus eigener Kraft nicht wieder an Land.“ In solchen Fällen unterstützen die Seeleute von der DGzRS die Rettungsschwimmer bei ihrer Arbeit. Wie vielfältig die ist, wissen Wolfgang Schmidt-Behnke, Holger Auffarth und Holger Wille seit Langem und zum Teil aus eigener Erfahrung. „Wir stammen alle drei aus Bremen, wo die DGzRS ihren Sitz hat“, so Schmidt-Behnke, der einer der drei Geschäftsführer des Göhrener Unternehmens „Paradies Rügen“. Das vermittelt beziehungsweise betreut rund 600 Ferienwohnungen und -häuser auf Rügen sowie betreibt zwei kleine Hotels auf Mönchgut. Die Arbeit der Seenotretter wissen die drei Männer zu schätzen. Nicht zuletzt Holger Wille, der selbst Wassersportler ist und mit seiner Freundin schon einmal in einem Boot auf dem Strelasund festsaß. In dem Fall waren ihm die Stralsunder Kollegen zu Hilfe geeilt. Nicht erst seitdem engagiert sich Wille über die Spenden hinaus für die Sicherheit auf See. Als Ehrenamtlicher arbeitet er auf dem Seenotkreuzer in Sassnitz auch im Freiwilligendienst, lernt unter anderem Knoten, den Umgang mit Verletzten oder auch das Führen des Bootes. „Wir werden uns auch künftig für die DGzRS engagieren“, kündigt Holger Auffarth an. Die Aktion „Ein Euro pro Buchung“ soll keine Eintagsfliege sein. Zweimal jährlich werden die Mönchguter die Seenotretter finanziell unterstützen. Die Sassnitzer können das gut gebrauchen. „Hier muss immer etwas ersetzt oder auf den neuesten Stand gebracht werden“, sagt Andreas Schumacher. Kompassanlage für „Eugen“ erweitert 60 Seenotkreuzer und Seenotrettungsboote unterhält die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS). Sie ist an der Nord- und der Ostsee mit insgesamt 54 Stationen vertreten. 180 fest angestellte und 800 ehrenamtliche Retter sind auf den Booten unterwegs. Jährlich werden im Durchschnitt 2000 Einsätze registriert. 1865 wurde die DGzRS gegründet. Seitdem hat sie etwa 80 000 Menschen aus Seenot gerettet. Die Arbeit wird über Spenden finanziert. Die 4000 Euro von „Paradies Rügen“ wurden für den Kauf des Rettungsnetzes für das Tochterboot „Notarius“ sowie für die Erweiterung der Kompassanlage des vor der Greifswalder Oie stationierten Seenotrettungskreuzers „Eugen“ verwendet. Maik Trettin

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