Selliner Kurhauses: Nachbar unterstützt Investorpläne trotz Lärm

„Blockhaus Glückswinkel“. Der Name des historischen Kleinodes an der Ecke Wilhelmstraße/Warmbadstraße ein paar Meter vor der Selliner Seebrücke mag momentan so gar nicht passen. Gleich neben der kleinen seit Monaten coronabedingt geschlossenen Pension samt Restaurant befindet sich eine der größten Baustellen auf der Insel Rügen. Seit Januar wird hier das frühere Kurhaus abgerissen. Viel Lärm und Staub rund um die Uhr seit Monaten. Und es geht die nächsten zwei Jahre auch so weiter, wenn hier dicht an dicht ein neues Super-Hotel mit drei Gebäuden hochwächst. Die Primus Immobilien AG baut in der ersten Reihe zum Meer 108 Ferienappartements und Eigentumswohnungen mit einem 1000 Quadratmeter großen Wellnessbereich, einem Restaurant und Geschäften im Erdgeschoss. Der Hotelkomplex soll einmal ganzjährig geführt werden. Jetziger Investor ist die beste Wahl: Trotz Mega-Dauerbaustelle: Im „Glückswinkel“ ist die Stimmung wider Erwarten richtig gut. Was dort neu entsteht, habe Hand und Fuß und sei auf jeden Fall besser als das, was dort bisher stand, sagen Klaus und Katja Thetmann und Eric Krause. Sie betreiben gemeinsam Restaurant und Pension. „Der Abriss war kein Geheimnis. Es gab damals die wildesten Pläne und Gerüchte. Der jetzige Investor ist die beste Wahl“, findet Eric Krause. Dem Sohn von Klaus Thetmann stößt sauer auf, dass viele Insulaner und Gäste Abriss und Neubau kritisieren, obwohl sie weder das alte 21 Jahre alte Kurhaus und das Gelände kannten, noch direkt betroffen sind. „Das Konzept im Kurhaus hat nicht funktioniert. Warum auch immer. Mit der alten Substanz konnten die Investoren ihr neues Konzept nicht verwirklichen. Also reißen sie ab und bauen neu. Das ist doch okay. Jeden Tag wird überall etwas gebaut. Es ist das falsche Signal, ihnen Steine in den Weg zu legen. Das Ergebnis zählt. Ein Ort braucht Investoren, jemanden, der etwas macht,“ so Krause. Sicher würde auch nicht jedem diese Meinung passen. „Manche denken, wir haben Geld bekommen oder etwas von unserem Grundstück verkauft. Alles Quatsch.“ Lesen Sie auch Kurhaus in Sellin auf Rügen abgerissen: Erste Bilder vom neuen Hotel Rügen: Darum werden 90 Bäume an Selliner Steilküste gefällt Golfplatz auf Rügen: Kommen am Ende nur Ferienhäuser? Dass das Konzept des Vorbaus nicht hinhauen würde, dachte sich Klaus Thetmann früh. „Das Kurhaus hatte keinen Wellness-Bereich und keinen Pool und deshalb im Winter zu. Die Gäste verlangen aber so etwas.“ Thetmann wohnt seit den 70er Jahren im „Glückswinkel“, seinerzeit noch zur Untermiete. Der 73-Jährige kam 1968 aus Köthen als Busfahrer auf die Insel und wechselte später in die Gastronomie, war unter anderem Küchenleiter im legendären „Inselparadies“ in Baabe. Dann erwarb er das 1927 gebaute Blockhaus, erweiterte es und eröffnete 1994 seinen Betrieb. Vor allem Stammgäste belegen die vier Ferienquartiere. Im Restaurant gibt es 40 Innen- und 30 Außenplätze. In 30 Jahren einige Baustellen miterlebt: „Mit der Baustelle habe ich keine Probleme“, meint Thetmann. Er hat in den letzten 30 Jahren einige Baustellen um sich herum miterlebt – von der Alten Schule bis zum „First“. Mit Abstand die schlimmste sei der Abriss des „Friedens“ gewesen, dem Vorgänger des Kurhauses, sowie dem dann folgenden Kurhaus-Bau. „Wir dachten, uns fällt die Hütte über dem Kopf zusammen. Wir lebten in Mist und Dreck und Lärm“, so Thetmann. Auch erinnert er sich noch an das Türmchen, das falsch gebaut wurde. Es habe abgerissen und wieder neu gebaut werden müssen. Von den jetzigen Bauherren fühlen er und sein Sohn sich mitgenommen. Der Abriss sei strukturiert, transparent und laufe vernünftig ab, die Bauleitung sei jederzeit zu Gesprächen bereit. Doch gibt es nicht die Angst, als kleines Blockhaus zwischen den großen Neubauten mal ein Schattendasein zu führen? „Nein, wir sind wie ein Pförtnerhäuschen, ein Kleinod mit Alleinstellungsmerkmal“, weiß Thetmann. Sicher würden Gäste von gegenüber einmal auf ihren Terrassentisch schauen können, aber das störe nicht. Und sicherlich habe man auch Sorgen. Zum Beispiel, dass das Haus Risse bekommen oder sogar ins Rutschen kommen könnte. Denn zur Standsicherung des Neubaus müssen Stahlspundbohlen zwölf Meter tief in die Erde gebohrt werden. „Und zwar unter unser Grundstück“, so Thetmann. Froh stimmt ihn dagegen, dass während der Bauerei ein Schutzzaun aufgestellt wird und der Dreck und Staub auf den Tischen und Bänken der Außenterrasse und an den Fenstern vom Nachbarn beseitigt wird. Von Gerit Herold