Ein bürgerliches Trauerspiel

Seltsam verdreht liegt der Rechtsanwalt Brack auf der weißen Couch. Blut strömt. Sein Kopf hängt haltlos nach unten. Völlig unerwartet hat Hedda Gabler ihn abgeknallt. Plötzlich kommt ihr Ehemann Jörgen Tesman herein. Auch ihn erschießt sie. Das Weltstück „Hedda Gabler“ feierte am Freitagabend im Theater Greifswald seine Premiere. Das 1891 in München uraufgeführte Drama des Norwegers Henrik Ibsen handelt von einer Frau, die von ihrem Ehemann gelangweilt ist und das Schicksal aller ungut beeinflusst. Der Regisseur Reinhard Göber inszenierte das Stück nach der Fassung von Peter Zadek und Gottfried Greiffenhagen: Jörgen Tesman (Dennis Junge) und seine Hedda (Susanne Kreckel) haben sich gerade eine protzige Villa gekauft. Während sich Tesman als Dozent für Kulturgeschichte um seine Karriere kümmert, feiert Hedda mit Rechtsanwalt Brack (Sören Ergang) wilde Partys. Als ihr verflossener Liebhaber Lövborg (Alexander Frank Zieglarski) auftaucht, ist eine sexuelle Konkurrenzsituation vorprogrammiert. Am Ende erschießt Hedda sowohl ihren Mann als auch den Anwalt. Lövborg unterstützt sie beim Selbstmord. Göber wollte mit dem Stück kritisch unsere heutige Gesellschaft spiegeln. Seine Themen „sind sowohl die wirtschaftliche Ungleichheit zwischen Ost und West als auch die ungleichmäßige Geschlechterverteilung. Heute erschießen sich eher Männer. Die Frauen haben die Hosen an“, sagt er. Sein Stück reflektiert das Bürgertum sehr einseitig: Es lebt von den Anspielungen auf Sex, Macht und Geld. DDR-Rockmusik, Alkohol und Machtspielchen sowohl zwischen Männern als auch zwischen Frauen sollen ein Ambiente unserer heutigen bürgerlichen Gesellschaft schaffen. Ansonsten ist da nicht viel. Weder gute Schauspielkunst noch Inhalte, die zum Innehalten anregen oder gar Werte vermitteln. Die etwa 330 Gäste applaudierten. Annemarie Bierstedt OZ

Greifswald - Ein bürgerliches Trauerspiel