Von der Staffelei an die Eismaschine

Wenn Rosenstöcke und -büsche in Glowe weniger Blüten tragen als anderenorts auf der Insel, hat das einen Grund: Die duftende Blütenpracht landet an der Strandpromenade. Genauer gesagt im Eiscafé „Arkonablick“. Dort finden die Blüten der auch als Königin der Blumen geadelten Rose keineswegs Verwendung zu Dekorationszwecken. Sie landen in der Eisküche. In der steht neuerdings mit Heike Herrmann eine Künstlerin. Dabei ist die Malerin nicht etwa an der Staffelei aktiv, um mit Pinsel und Farbe eisige Kreationen aus der Passionsfrucht oder mit Schokoflocken als Stillleben auf Leinwand zu bannen. Die 52-Jährige steht selbst an der Eismaschine. Heike Herrmann avanciert zur Eisfee, sie entwirft neue lukullische Gaumenkitzler und verarbeitet dafür auch Rosenblüten. „Das ist Neuland für mich“, gesteht die diplomierte Designerin, die bis vor kurzem ihr Atelier im Nachbarhaus der Eisdiele hatte. Doch Neues auszuprobieren, das reize sie — nicht nur an der Staffelei, erinnert sie, wie es dazu kam, Farbpalette und Pinsel gegen den Eismischer einzudeutschen. Zu Saisonbeginn sei Nachbar Lothar Klapproth, Inhaber der Eisdiele, zu ihr gekommen. Seine Offerte hat Heike Herrmann noch im Ohr: „Du kochst so gut. Willst du nicht mal Eis ausprobieren“, unterbreitete er ihr das Angebot, in der Saison in der Eisdiele zu arbeiten. Das Angebot kam nicht von ungefähr: „Meine Mitarbeiterin, die das vorher gemacht hat, ist krankheitsbedingt leider ausgefallen“, begründet Lothar Klapproth. „Ich bin natürlich nicht ganz so fit im chemischen Bereich“, räumt Heike Herrmann ein, die das Angebot annahm. Doch Eiscafé-Besitzer Lothar Klapproth hat sie fit gemacht. Die Künstlerin „schulte um“, sie absolvierte Heike ein Praktikum in der „Zauberküche“ des Glower Eismanns. In der entfaltet die Künstlerin seit diesem Monat eine ganz neue kreative Seite. „Gemeinsam stehen wir in der Küche und probieren Neues aus.“Ihre erste genussvolle Visitenkarte hat Heike Herrmann in der eisigen Verkaufsauslage des Cafés schon mit einer neuen Sorte hinterlassen. „Schwarzes Eis, getaucht in weißer Schokolade und in rotem Pfeffer“, sagt sie und findet: „Diese Kombination ergibt einen crunchigen Geschmack.“ Heike Herrmann selbst hat Geschmack am neuen Job gefunden. Und lässt ihrer Kreativität freien Lauf. Dabei hat sie einen persönlichen Favoriten. „Blumeneis“, schwärmt die Insulanerin. „Ich bin als Kind hier schon über die Felder gelaufen und kam an keiner Blume vorbei, ohne an den Blüten zu schnuppern“, erinnert sie. „Heute isst man Blumen“, weiß die Malerin, die schon vor Jahren einen Lehrgang zur Ernährungsberaterin absolviert und jetzt dafür gesorgt hat, dass in Glowe Blumen geschleckt werden können. „Als erste Blumenkreation gibt es jetzt Roseneis“, greift sie mit der Kelle in einen mit Rosenblättern dekorierten Eisbehälter. Die Blätter oben drauf sind wirklich nur Deko, der Geschmack stecke auch in der Kugel, versichert sie und beweist, dass sie schon viel von Lothar Klapproth gelernt hat. Jede Eissorte brauche eine Base wie die Grundsorte im Fachjargon heißt, erläutert sie. Beim Roseneis sei das die Erdbeere. „Ist ja auch ein Rosengewächs“, so Herrmann. Dieses Erdbeereis wird nicht nur mit Rosenlikör verfeinert. Der Clou: Es landen Glower Rosen darin. Die Blütenblätter werden frisch geschreddert mit einem XXL-Cocktail-Mixer. Die Masse wird dann dem Eis untergemischt. Das Ergebnis scheint anzukommen. „Die Leute bringen ganze Kiepen voller Rosenblüten, die wir verarbeiten können“, freut sich Heike Herrmann. Und hat schon neue Ideen — für ein Lavendeleis. „Im Frühjahr würde ich gern ein Veilcheneis folgen lassen.“ Doch bis dahin will sie nach der Saison die Eismaschine wieder gegen Pinsel und Farbe tauschen. „Die kalte Jahreszeit bleibt der Staffelei vorbehalten“, sagt sie. Die Leute bringen ganze Kiepen voller Rosenblüten.“Heike Herrmann Udo Burwitz

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