Zweckverband stoppt Breitbandausbau in Bergen: Stadtvertreter drehen Extrarunde

So etwas hat es in Bergen wohl noch nicht gegeben: eine Sitzung der Stadtvertreter an einem Freitag und zugleich in den Sommerferien. Das hat auch einen besonderen Grund: Breitbandausbau in Bergen und Umgebung. Der Zweckverband Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Rügen (Zwar) stoppte kürzlich sämtliche Bauvorhaben in der Stadt. Grund war der Beschluss der vergangenen Sitzung. Um 17.30 Uhr kommen die gewählten Vertreter zusammen, um darüber zu diskutieren. Oder wie Matthias Ewert es bezeichnet: „Wir wollen die Kuh vom Eis bekommen.“ Seine Fraktion hatte den Antrag für diese außerordentliche Sitzung gestellt. „Zu diesem Thema haben uns entscheidungsrelevante Nachrichten erreicht. Diese sollen der Verwaltung teilweise schon vor der Sitzung der Stadtvertretung am 10. Juni bekannt gewesen sein. Darüber möchten wir gern sprechen“, sagt er. Saftige Rechnung an die Stadt? Der Entwurf eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zu diesem Thema würde der Verwaltung vorliegen, „der war für uns aber nie ersichtlich“. Zudem sei ein Entwurf im März dieses Jahres der Verwaltung zugeschickt worden. „Und Mitte Mai wurde ein spezifizierter Vertrag direkt für Bergen zugeschickt. Dieser hätte uns vorgelegt werden müssen“, sagt Matthias Ewert. Die Untere Rechtsaufsichtsbehörde hätte auf einer Zwar-Verbandsversammlung den Gemeinden der Insel zudem empfohlen, diesem Entwurf zuzustimmen. Außerdem: „Der Buschfunk meldet, der Zwar bereitet sogar eine saftige Rechnung an die Stadt vor, oder sie soll schon unterwegs sein. Diese Reaktionen waren aus unserer Sicht zu befürchten. Getreu der alten Redewendung: ,Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus’. Diese Entwicklungen sind so dringend zu klären, dass wir eine Berechtigung für eine zusätzliche Sitzung darin sehen“, sagt er. „Das Risiko ist zu groß“: Zum Hintergrund: Am 10. Juni hatte die Stadtvertretung mit der Mehrheit der Fraktionen Bergener Bündnis (BB), AfD und Die Linke/Freie Wähler den Nicht-Beitritt der Stadt aus der Sparte „Breitband“ des Zwar beschlossen. Dagegen stimmten die CDU-Fraktion, die SPD-Stadtvertreterin Kristine Kasten sowie die FDP-Stadtvertreterin Kathrin Parpat und der Einzelbewerber Raik Knüppel. Seit geraumer Zeit schwelt zwischen der Stadtverwaltung Bergen und dem Zwar beim Thema Breitbandausbau ein Streit. Der Vorwurf: Der Zwar habe 2015 bei Unterzeichnung des öffentlich-rechtlichen Vertrages zugesagt, dass für die Stadt Bergen keine Kosten in Bezug auf den Breitbandausbau entstehen würden. Wie Bürgermeisterin Anja Ratzke (parteilos) bestätigt, soll Bergen 24 Prozent der Gesamtkosten auf der Insel tragen, allerdings selbst nur für vier Prozent des Breitbandausbaus zuständig sein. „Ich muss die Stadt vor den finanziellen Auswirkungen schützen, denn die sind ohne solide Zahlen des Zwar nicht einzuschätzen. Das Risiko ist einfach zu groß.“ Zwar hat Notbremse gezogen: Unter anderem könne der Zwar bis heute nicht mitteilen, wo die Fördermittel bislang eingesetzt worden seien. „Wir haben uns also über den Infrastrukturatlas der Bundesnetzagentur informiert, laut dem kein einziger Meter Glasfaser in Bergen verlegt wurde“, sagte die Bürgermeisterin. „Es herrscht signifikanter Klärungsbedarf.“ Der Zwar hat nach der jüngsten Entscheidung der Stadtvertreter die Notbremse gezogen und der Stadt in einem Schreiben vom 16. Juni mitgeteilt, dass der Breitbandausbau gestoppt beziehungsweise vorzeitig beendet wird. Dazu gehört das Bauvorhaben in der Gadmundstraße. „Dies betrifft eine Mitverlegung von Leerrohren und Glasfaser in Verbindung mit der Verlegung von Trinkwasser-, Schmutzwasser- und Regenwasserleitungen“, heißt es in der Begründung. Leerrohre sollten außerdem in der Königsstraße und Graskammer gelegt werden. Ebenso wird der Ausbau in den Fördermittelausbaugebieten in den Ortslagen Neklade, Kaiseritz, Siggermow, Silvitz, Kluptow und Stadthof zurückgestellt. „Das ist reine Schadensbegrenzung“: „Die Stadt hat dargelegt, dass sie mit uns und dem Breitband nichts mehr zu tun haben möchte. Wir haben aber laufende Bauvorhaben. Um keine weiteren Kosten auflaufen zu lassen, werden wir keinen weiteren Ausbau vornehmen“, sagt Zwar-Sprecher Reinhard Litty. Deshalb sei der Baustopp erfolgt, bis es zu einer Klärung kommt. Sonst würden nur Kosten produziert. Man wisse nicht, wie diese refinanziert werden können, wenn sich die Stadt als Nicht-Mitglied in der Sparte Breitband betrachtet. „Das ist eine reine Schadensbegrenzung. Wir möchten nach dem eindeutigen Beschluss nicht ohne Auftrag handeln. Wir möchten nicht etwas bauen, das am Ende möglicherweise nicht mitfinanziert wird durch die Stadt“, sagt er. Für Matthias Ewert ist klar: Verwaltung, Stadtvertreter und Zwar müssen an einen Tisch. „Es geht nicht darum, Öl ins Feuer zu kippen, sondern nur darum, eine Lösung zu finden. Wir senden Signale. Und dann entstehen solche Reaktionen, wie die vom Zwar. Wir wollen, dass der Baustopp wieder zurückgenommen wird und die Arbeiten weitergehen.“ Freitag ist der einzige freie Termin: Der Freitag in den Sommerferien als Sitzungstag sei unglücklich gewählt worden, weil dann die Möglichkeit bestünde, dass einige Stadtvertreter im Urlaub sind und sie deshalb nicht beschlussfähig sind. Stadtpräsidentin Kerstin Kassner begründete es so, dass der Hauptausschuss am Mittwoch tagt und deshalb als Sitzungstermin nicht infrage kommt. Außerdem ist die Bürgermeisterin eine Woche später im Urlaub. Auf Wunsch der CDU soll sie bei dieser Sitzung aber anwesend sein. „Auf die Schnelle ist deshalb nur der Freitag möglich“, sagt die Stadtpräsidentin. 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