Zwiebelsäckchen gegen Ohrenschmerz

Der kleine Levin aus Bergen sieht etwas mitgenommen aus. Mit sechs Monaten ist es auch nicht einfach, in der Herbstzeit all die Keime abzuwehren, die gerade so herumfliegen. Seine große Schwester Laura (13) hat es schon erwischt, sie klagt über heftige Halsschmerzen. „Wir haben zuerst Lutschbonbons ausprobiert — und ganz viel Tee“, berichtet Mutter Yvonne Goers aus Bergen über ihre „Erste-Hilfe-Maßnahmen“. Aber als die Schmerzen auch nach zwei Tagen nicht besser geworden sind und auch noch hohes Fieber dazu kommt, gibt es für Goers kein Vertun mehr: „Da sind wir natürlich zum Arzt gegangen.“ Die 39-jährige Mutter von drei Kindern schafft den Spagat zwischen Hausmitteln und Arzt gut — wie die meisten Mütter auf Rügen. „Ich habe den Eindruck, dass die Mütter sich gut kümmern und verantwortungsvoll mit den Krankheiten ihrer Kinder umgehen“, findet auch Marina Burghardt, Apothekerin in Putbus. In den letzten sechseinhalb Jahren hat sie eine Entwicklung beobachten können: „Die Tendenz geht wieder zu natürlichen Heilmitteln. Wir sind Hausmitteln gegenüber auch absolut aufgeschlossen, ebenso wie unsere Kunden, die oft etwas natürliches ausprobieren wollen, bevor sie zum Arzt gehen.“ Auch Elke Grimm (57) und Freundin Petra Busch (54) beobachten diese Entwicklung als Großmütter aus nächster Nähe: „Meine Tochter fragt mittlerweile, wie wir das früher gemacht haben. Und wenn ich ein Hausmittel weiß, gebe ich es ihr auch weiter“, erklärt Grimm. Die Karowerin erinnert sich gut: Bei Husten wurden Kartoffeln gekocht, in Zeitung gewickelt und noch warm auf die Brust gelegt, bei hohem Fieber halfen Wadenwickel. „Bei Schnupfen fange ich gar nicht mit Nasentropfen an, sondern inhaliere über einer Schüssel mit Kamille. Dabei muss es nicht unbedingt frische Kamille sein, Teebeutel gehen auch“, erklärt Grimm. Auch Petra Busch ist sich sicher, dass ihre Tochter sich viele Gedanken macht, und darauf achtet, dass alles natürlich ist: „Da wird auch nicht mehr sofort ein Antibiotikum gegeben. Die leichte Bindehautentzündung meiner jüngsten Enkelin, die mit ihren zwei Wochen durch die große Schwester schon mit Kindergartenkrankheiten in Berührung kommt, hat meine Tochter mit Muttermilch behandelt. Das hat sofort geholfen.“ Genau richtig, findet Gabi Wieczorek. Die 51-Jährige aus Moordorf ist Phytotherapeutin, kennt sich also mit Heilpflanzen aus und betreibt auf Rügen eine Kräuterschule. „Muttermilch wirkt entzündungshemmend, rückfettend, hautregenerierend.“ Neben dem Wundermittel Muttermilch gibt es für sie noch ein wichtiges Allheilmittel für Kleine und Große. „Berührungen fördern die Heilung und sind unbegrenzt einsetzbar. Händchen halten, Streicheln und sanfte Massagen wirken beruhigend und helfen mehr als so manches Arzneimittel“, weiß die Expertin. Überhaupt plädiert sie für eine achtsame Anwendung von Heilmitteln. „Wenn Babys älter als drei Monate alt sind und das Allgemeinbefinden gut ist, kann man es erst einmal mit Hausmitteln versuchen. Wenn hohes Fieber dazu kommt oder die Beschwerden sich auch nach drei Tagen nicht deutlich bessern, sollte man unbedingt einen Arzt aufsuchen.“ Und wie begegnet man einer kindlichen Erkältung mit Hausmitteln? „Bei Babys und Kleinkindern dürfen keine ätherischen Öle — wie zum Beispiel Menthol oder Kampfer — verwendet werden. Eine Majoransalbe hilft sehr gut“, meint Wieczorek. Dafür erhitzt man 100 Gramm Butter, schöpft so lange den Schaum ab, bis keiner mehr entsteht und filtert die Butter dann durch ein Tuch. Der gefilterten Butter gibt man eine gute handvoll frisch geschnittenen Majoran zu und rührt die Mischung eine halbe Stunde im Wasserbad, ohne dass sie siedet. Danach kann man die Majoranbutter erneut filtern und in kleine Gläschen abfüllen. Im Kühlschrank hält sich die Butter bis zu einem Jahr und kann bei Erkältungen bis zu fünf mal am Tag zwischen Oberlippe und Nase aufgetragen werden. „Der Majoran hilft, die Nase und die Atemwege freizubekommen und lindert so die Erkältung“, erklärt Wieczorek. Auch dem Husten lässt sich mit einem wohlbekannten Mittel beikommen: Zwiebelsirup wird in der modernen Form nicht mehr mit Zucker, sondern mit Agavendicksaft angesetzt. Dazu würfelt man eine große Zwiebel klein und lässt sie in vier Esslöffeln Agavendicksaft über Nacht ziehen. Danach wird der Sirup durch eine Seihe gegossen. Kinder dürfen zwei bis drei Teelöffel am Tag davon naschen — die Zwiebel wirkt stark schleimlösend. Man sollte aber auch die gute Rügener Luft nicht vergessen: Bei Erkältungen ist viel frische Luft wichtig, die Raumfeuchtigkeit sollte ein wenig höher sein, als sonst. Hausmittel bei Babys — was tun und was lieber lassen Hausmittel sollten erst bei Babys ab drei Monaten angewendet werden, allerdings nur, wenn sie fieberfrei sind. Medizinische Tees oder Honig sind in dem Alter auch noch nicht zu empfehlen. Hände weg auch von allen Erkältungsprodukten, die Menthol und Kampfer enthalten. Wer möchte, rührt sich bei Erkältung des Babys selbst eine Salbe aus Butter und Majoran oder Thymian an. Auch Apotheken halten Majoran- oder Thymian-Salben oder sanften Badezusätze bereit. Bei Ohrenschmerzen helfen die bewährten Zwiebelsäckchen: Eine große Zwiebel wird klein gewürfelt und in einem Säckchen auf das Ohr gelegt. Wadenwickel sollten erst nach Absprache mit dem Arzt als fiebersenkende Maßnahme angewendet werden — nicht, wenn Hände und Füße des Kindes kalt sind. Wenn sich die Beschwerden nicht deutlich innerhalb von drei Tagen bessern, Fieber hinzukommt oder das Kind apathisch und schlapp wirkt, sollte sofort ein Arzt aufgesucht werden. Gaia Born

Bergen - Zwiebelsäckchen gegen Ohrenschmerz