Die erste Taufe nach 891 Tagen

Die Arbeiter lachen mit der Sonne um die Wette. Marcus Bose (25) bringt es auf den Punkt: „Diese Taufe heute passt genau in die positive Stimmung, die auf der Werft seit den letzten Tagen herrscht.“ Zusammen mit Tom Adolfs (17), beide sind Auszubildende im ersten Lehrjahr, steht er am Ausrüstungskai und blickt hinauf zum Deck des Spezialtransporters, der wenige Minuten später seinen Namen „Ark Germania“ erhalten soll. Die beiden jungen Männer sind stolz darauf, dass auch ihre Arbeit in dem Schiff steckt. Schließlich ist es ein ganz besonders. Dass der Frachter nach der Pleite der P+S Werften vor einem Jahr überhaupt fertig gebaut werden konnte, erscheint wie ein kleines Wunder. Insolvenzverwalter Berthold Brinkmann: „Die dänische Reederei DFDS war so mutig, den Auftrag in dieser schwierigen Phase zu erneuern.“ Das Schiff habe wesentlich dazu beigetragen, potenzielle Investoren von der Leistungsfähigkeit der Stralsunder Schiffbauer zu überzeugen. „Darum sind wir jetzt in der Lage, mit mehreren Kaufinteressenten zu verhandeln. Das ist eine Situation, die wir uns lange gewünscht haben.“ Auch für Betriebsrat Jürgen Kräplin (62) ist dieser Freitag ein besonderer Tag: „Es hat viele Monate lang auf der Volkswerft kein so freudiges Ereignis gegeben wie heute.“ Tatsächlich mussten genau 891 Tage vergehen, bis auf dem Gelände des Stralsunder Traditionsbetriebes wieder ein Schiff einen Namen erhalten konnte. Zum letzten Mal geschah das am 16. April 2011. Die späteren Taufen zweier Flusskreuzfahrtschiffe fanden auswärts statt. Und die beiden Problem-Fähren, die eigentlich „Berlin“ und „Copenhagen“ heißen sollten und die Scandlines nicht mehr haben wollte, liegen ohne obligatorische Sektdusche noch immer am Ausrüstungskai. Sogar die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Johanna Wanka (62), ist an diesem Freitag gekommen. Die CDU-Politikerin wurde als Taufpatin auserkoren. Unter dem Beifall der etwa 150 geladenen Gäste lässt sie die Flasche „Rotkäppchen“ am Rumpf des 195 Meter langen Spezialschiffes zerschellen. Die deutsche und die dänische Nationalhymne erklingen. In den nächsten Wochen erhält die „Ark Germania“ ihre Inneneinrichtung, müssen die verschiedenen Systeme an Bord getestet werden. Noch in diesem Jahr will die Reederei den Transporter übernehmen. Das Schwesterschiff „Ark Dania“, an dem derzeit noch in der großen Montagehalle der Volkswerft gebaut wird, folgt Anfang nächsten Jahres. Dann gibt es ja vielleicht auch gute Nachrichten von den Verhandlungen des Insolvenzverwalters mit den Kaufinteressenten. Darauf setzen auch die beiden Azubis Marcus Bose und Tom Adolfs. Der größte Wunsch der beiden Stralsunder ist es, als Facharbeiter auf der Volkswerft große Pötte zusammenzuschweißen — so, wie es in den vergangenen 60 Jahren Tausende Frauen und Männer vor ihnen getan haben. Der Optimismus ist groß, auch wenn Jürgen Kräplin die Erwartungshaltung ein wenig dämpft: „Wir greifen nach jeden Strohhalm. Ob die Hoffungen berechtigt sind, wird sich zeigen.“ 43 Schiffe für Dänemark Der Spezialtransporter „Ark Germania“ hat die Neubaunummer 500. Der Roll-on-roll-of-Frachter kann 342 Container laden und bietet zudem auf insgesamt 3000 Metern Platz für bis zu 185 Lkw. Wie später das Schwesterschiff „Ark Dania“ soll die „Ark Germania“ im internationalen Frachtroutendienst eingesetzt werden. Auch für militärische Fracht sind die beiden 195 Meter langen Schiffe ausgelegt. Im Bedarfsfall sollen sie den dänischen Streitkräften und der Bundeswehr für den so genannten „gesicherten gewerblichen strategischen Seetransport“ zur Verfügung stehen. Die Nato-Partner Deutschland und Dänemark kooperieren seit 2006 bei militärischen Transporten auf See. Die DFDS wurde 1866 gegründet. Sie ist heute einer der führenden Reedereien in Nordeuropa. Ihre 55 Schiffe fahren auf 25 Routen in der Ostsee, der Nordsee sowie im Ärmelkanal. Für dänische Reedereien wurden seit dem Jahre 2000 auf der Volkswerft 43 Schiffe gebaut. Jens-Peter Woldt

Stralsund - Die erste Taufe nach 891 Tagen