Gefährliche Protestaktion bei Tribsees: Vollsperrung der A20

Mit einer gefährlichen Protestaktion haben Aktivisten am Freitagvormittag den Verkehr auf der kaputten Ostseeautobahn bei Tribsees zeitweise lahmgelegt. Für rund 20 Minuten musste die A20 in Richtung Lübeck halbseitig gesperrt werden. Laut Angaben der Polizei starteten die insgesamt sechs Klimaschützer, darunter fünf Frauen und ein Mann, ihre Aktion kurz nach 8.30 Uhr. Rund zwei Kilometer vor der Baustelle mit der Behelfsbrücke in Richtung Rostock seilte sich eine 31-jährige Aktivistin von der L19-Überführungsbrücke mitten auf die A 20 ab. Die weiteren fünf Aktivisten flankierten die Aktion mit einem Banner, das die Aufschrift trug: „Hier könnte ein Bahnhof sein – Nachhaltige Mobilität für MV.“ Druck auf die Landesregierung durch Autobahnprotest: Die Aktivisten, die nach eigenen Angaben aus MV stammen, mischen mit dem Protest bei einer bundesweiten Kampagne mit. Ihr Ziel sei es, einen Teil des Autobahnnetzes zum Stillstand zu bringen. „Damit lenken wir die Aufmerksamkeit auf die verfehlte Verkehrs- und Klimapolitik“, so Lina, eine der Aktivistinnen. Mit ihrem Protest wollen sie Druck auf die Landesregierung ausüben und gesellschaftliche Diskurse anregen. Sie fordern eine sofortige Verkehrswende, Schienenausbau in MV und ein Ende der Rodungen im Dannenröder Wald. „Wir setzen uns auch für Aktivistinnen ein, die zu Unrecht bei solchen Aktionen in U-Haft genommen werden“, sagt Lina. Aktivist muss medizinisch untersucht werden: Die Autobahnpolizei Grimmen sperrte die Autobahn für den Rettungseinsatzeinsatz ab. Unterstützt wurden sie dabei von der Freiwilligen Feuerwehr und dem Rettungsdienst. Bis 9.50 Uhr konnte die Frau, die sich von der Brücke abseilte, von den Beamten gesichert, die weiteren fünf Klimaschützer von der Fahrbahn geleitet und die spontane Versammlung aufgelöst werden. Während dieser Maßnahmen war die Autobahn für etwa 20 Minuten zum Schutz der Beteiligten und den Verkehrsteilnehmern halbseitig gesperrt. Der Verkehr in Richtung Rostock konnte jedoch so vorbeigeleitet werden, dass es zu keinen größeren Verkehrsbeeinträchtigungen kam. Nach Angaben der Polizei musste eine Person medizinisch behandelt werden. „Das ist eine Vorsichtsmaßnahme“, ordnete eine Sprecherin der Stralsunder Polizei ein. Die Aktivisten hingegen vermuten etwas anderes und sprechen von „Schikane“. Nach ihrer Einschätzung ginge es der Aktivistin gut. Was über die Aktivisten bekannt ist: „Wer auf dem Land in MV aufgewachsen ist, der weiß, dass das Auto hier noch immer ein notwendiges Mittel ist“, erklärt Lina. Das müsse sich ändern. Die Gruppe, die mit den Hashtags #WaldStattAsphalt, #BlockFriday, #BahnhofTribsees und #SchieneStattStraße operiert und auf die Allianz pro Schiene verweist, beschreibt sich selbst als „divers“. „Wir sind nicht Fridays for Future, treten aber auch für Klimaziele ein“, sagt Lina und grenzt ihre Gruppe so von der Bewegung ab, die die schwedische Schülerin Greta Thunberg ins Leben gerufen hat. Die Ziele des Protests: Verkehr muss auf die Schiene: Für ihren Protest haben sich die Aktivisten einen symbolträchtigen Ort gesucht. Im Oktober 2017 war die Autobahn bei Tribsees spektakulär abgesackt. Seitdem steht die A 20 für das neue und dennoch marode Autobahnnetz in MV. Doch gerade der Autoverkehr treibt mit seinen massiven Emissionen und Flächenversiegelungen die Klimakrise entscheidend voran, wie es in der Pressemitteilung der Aktivisten heißt. In Deutschland flossen Infrastrukturinvestitionen laut der „Allianz pro Schiene“ im Jahr 2019 zu über 50 Prozent in den Ausbau und Erhalt von Fernstraßen. Die Verkehrswende sei den Aktivisten zufolge ein notwendiger und längst überfälliger Schritt gegen eine weitere Belastung des Klimas. Dazu müsse der Verkehr von der Straße auf die Schiene gebracht werden. Der Trend gehe allerdings in die falsche Richtung – das deutsche Schienennetz hatte 1994 noch über 44 000 Kilometer Schiene, derzeit sind es nur noch rund 38 500 Kilometer. Ausbau des Schienennetzes in MV katastrophal: Gerade hier in MV sei der Ausbau des Schienennetzes katastrophal. Statt die Verkehrswende voranzutreiben, werden weiterhin Straßen ausgebaut und dafür Natur und Lebensräume zerstört. Ein bekanntes Beispiel ist laut den Aktivisten der Dannenröder Forst, ein 300 Jahre alter gesunder Mischwald in einem Trinkwasserschutzgebiet, der für den Weiterbau der A 49 gerodet werden soll. Knapp 100 Hektar Wald sollen hier dem Asphalt weichen. Nicht nur widerspricht dieses Vorhaben der Verkehrswende und stellt einen massiven Eingriff in die Natur dar, es gefährdet auch die Trinkwasserversorgung von über 500 000 Menschen. Lesen Sie auch: Dannenröder Forst: Polizei räumt weitere Aktivistencamps Von Gina Henning und Kay Steinke