Gewerkschafter kritisiert Stralsunder Polizei

Was ist da los bei der Stralsunder Polizei? Gewerkschafter Andreas Steinhöfel kritisiert, dass das Hauptrevier Stralsund – das mit den meisten Einsätzen in Vorpommern – personell unterbesetzt sei. Rund 30 Mitarbeiter würden fehlen. Konsequenz für die Bürger: Sie müssten länger warten, bis alarmierte Polizisten am Ort des Geschehens einträfen. Konsequenz für die diensthabenden Beamten: Für sie erhöhe sich die Belastung, Präventionsmaßnahmen würden zurückgefahren. Und weil die Polizei nicht immer schnell genug reagieren könne, komme es zu Mehrfach-Alarmierungen, Fehlende Fachkräfte – ein Problem, mit dem in Vorpommern viele Betriebe und Institutionen zu kämpfen haben. In diesem Fall ist aber nicht wie so oft fehlender Nachwuchs der Grund. Steinhöfel, der der Polizeigewerkschaft in Vorpommern vorsteht, kritisiert, die Situation sei hausgemacht. Straf- und dienstrechtliche Ermittlungen: Zum einen ist die sogenannte 5. Dienstgruppe vorübergehend personell aufgelöst worden. Die zehn Polizisten umfassende Einheit bearbeitet unter anderem „zentrale, dienststellenübergreifende Aufgabenstellungen“, sagt Peggy Jaekel, die für die Polizeiinspektion Stralsund Öffentlichkeitsarbeit macht. Die Gruppe vollzieht beispielsweise Abschiebungen, bringt abgelehnte Asylbewerber zum Flughafen. Hintergrund der Auflösung sind Ermittlungen gegen zwei Polizisten der Einheit. Was ist der Anlass dafür? Dazu darf sich Gewerkschafter Steinhöfel nicht äußern. Auch Peggy Jaekel nennt den Grund nicht, erklärt aber: „Wenn eine Dienststelle Veranlassungen hat, sich zum Beispiel polizeiliches Tätigwerden oder Dienstabläufe genau anzuschauen, tun wir das, nicht zuletzt um mögliche Fehler frühzeitig aufzudecken und abstellen zu können. Bei der Überprüfung ergab sich für zwei Mitarbeiter der 5. Dienstgruppe ein Anfangsverdacht, der straf- und dienstrechtliche Ermittlungen zur Folge hatte.“ Kollegen fühlen sich „vorverurteilt“: Obwohl nur gegen zwei Polizisten Ermittlungen laufen, sollen laut Steinhöfel alle Kollegen der 5. Dienstgruppe „vorsorglich“ in andere Polizeireviere der Region versetzt worden sein. „Die Kollegen sind total fertig“, meint er. „Das sind junge Polizisten, denen gesagt wurde, dass sie nicht mehr damit rechnen könnten, in den nächsten Jahren nach Stralsund zurückzukommen.“ Und das, obwohl weder ein Straf- noch ein Disziplinarverfahren gegen sie laufe. Offenbar reichten mögliche Vorwürfe oder Beweise dafür nicht aus, vermutet Steinhöfel. „Sie wissen nicht, was genau ihnen vorgeworfen wird. Sie fühlen sich aber vorverurteilt.“ Eine ganze Abteilung in Kollektivhaftung? Peggy Jaekel bestätigt, dass das Personal derzeit „verändert“ werde. Dies gehöre „im Rahmen einer professionellen Mitarbeiterführung zu einer gesunden und flexiblen Organisation. Gleichwohl werden diese nie leichtfertig getroffenen Personalentscheidungen von den jeweils betroffenen Mitarbeitern nicht immer wohlwollend aufgenommen.“ Die 5. Dienstgruppe stehe „in Kürze wieder vollständig in Stralsund zur Verfügung“. Der Zuständigkeitsbereich der Polizeiinspektion (PI) Stralsundumfasst den gesamten Landkreis Vorpommern-Rügen. Laut Darstellung des Landes sind dort insgesamt 510 Mitarbeiter beschäftigt. Das Polizeihauptrevier (PHR) Stralsund ist ein Teil davon. Hier sind 63 Beamte im Streifendienst, fünf in der Revierleitung und vier im Kontaktbereichsdienst tätig. Für die Zeit des Bäderdiensteswurden der PI 27 Beamte der Bereitschaftspolizei zugeordnet, davon verrichten vier Beamte ihren Dienst im PHR Stralsund. Zudem wurden der PI 18 neue Mitarbeiter im landesweiten Nachersatzverfahren der Polizei in MV zugeteilt. „Der Verteilungsschlüssel richtet sich dabei nach der jeweiligen Einsatzbelastung einer Dienststelle“, erklärt die Stralsunder Polizeisprecherin Peggy Jaekel. „Zum Teil füllen diese neuen Mitarbeiter Stellen pensionierter Polizeibeamter auf, stellenweise wird die Personalstärke einer Dienststelle auch geringfügig erhöht.“ Hundeführer nun bei der Bereitschaftspolizei: Der andere Grund für die verschärfte Personalsituation ist, dass die örtliche Diensthundführergruppe nun nicht mehr zur Stralsunder Polizei gehört, sondern in die Verantwortung der Landesbereitschaftspolizei übergegangen ist. Die Abordnung sei aufgrund „einer landesweit einheitlichen polizeiorganisatorischen Grundsatzentscheidung für ein Pilotprojekt“ erfolgt, erklärt Jaekel. „Im Wesentlichen steht sie nach wie vor in Stralsund für dortige Aufgaben prinzipiell in gleichem Maße wie in der Vergangenheit zur Verfügung.“ „Im Wesentlichen prinzipiell in gleichem Maße“ – Steinhöfel bezweifelt das. Sie seien zwar stationiert in Stralsund in der Lindenstraße, aber sie stünden hier nicht mehr direkt zur Verfügung. Sollten Hundeführer gebraucht werden, müssten die Stralsunder Polizisten sie erst über die Einsatzleitstelle anfordern. „Sie entscheidet in Absprache mit der Landespolizei, ob die Diensthundeführer zum Einsatz kommen.“ Wenn aber die Bereitschaftspolizei einen Einsatz in einer anderen Stadt oder einem anderen Bundesland habe und die Hundeführer mitnimmt, „dann sind sie weg und stehen hier nicht zur Verfügung“. Personalstärke im Streifendienst weitestgehend unverändert: Neben üblichen Änderungen im Personal wegen Elternzeit, Langzeiterkrankungen, Pensionierungen und Wechseln in andere Dienststellen wurde eine Einheit vorübergehend personell aufgelöst, eine andere an die Landespolizei abgegeben – ist die Polizei in Stralsund dadurch geschwächt? „Grob gesagt ja“, lautet Steinhöfels Fazit. Jaekel schätzt das anders ein. Sie verweist zwar darauf, dass in der Polizeiinspektion Stralsund, deren Zuständigkeitsbereich den gesamten Landkreis Vorpommern-Rügen umfasst, in den vergangenen fünf Jahren der Personalbestand um 30 Kollegen reduziert wurde. Doch im Polizeihauptrevier in Stralsund sei der Personalbestand im Streifendienst rechnerisch annähernd gleich geblieben. Aktuell seien dort 63 Beamte beschäftigt, 2015 waren es 64. Steinhöfel nennt diese Zahlen Augenwischerei. Die 5. Dienstgruppe und die Diensthundeführer fehlten nicht im Streifendienst, sondern in der Gesamtstärke. „Wir bekommen Praktikanten von der Fachhochschule Güstrow, die unseren Bestand auffüllen, damit wir überhaupt arbeitsfähig sind.“ Lesen Sie auch Lautstarke Angriffe auf Saskia Esken in Stralsund: Was die Störer von der SPD-Chefin wollten Viele Unfälle mit Radfahrern in MV: Frau stirbt nach Zusammenstoß mit Auto Feuer in Stralsund: Kinderwagen in Mehrfamilienhaus angezündet Rügen: Unbekannter Toter von der Steilküste bleibt für Polizei ein Rätsel Von Kai Lachmann