„Ich schäme mich für früher“

Und dann steht er plötzlich in ihrer Mitte. Der Typ, den sie am Tag zuvor noch in einer Dokumentation gesehen haben. Fast entspannt erzählt er von seiner Lebensgeschichte. Und die hat es in sich. Felix Benneckenstein ist 31 Jahre alt, und er ist Aussteiger. Ein Aussteiger aus der Nazi-Szene. Darüber und wie sein Leben jetzt läuft, berichtete er gestern vor Neunt- und Zehntklässlern an der Pflugradt-Regionalschule in Niepars. „Ich habe ihn mir durch den Film ganz anders vorgestellt“, sagt der 15-jährige Justin. „Aber die Runde heute war richtig gut.“ Das hat auch sein Mitschüler Danny Ahrens so empfunden: „Weil Felix authentisch ist. Er erzählt uns nicht nur einfach etwas, sondern er hat das alles selbst erlebt.“ Genau das machte Lisa Behnke sogar etwas zu schaffen: „Ich hab mich anfangs unwohl gefühlt, weil ich wusste, dass er einmal Neo-Nazi war“, sagt die 15-Jährige und fügt hinzu: „Aber das hat sich im Verlauf des Gesprächs schnell gegeben. Es war einfach interessant, was er erzählt hat.“ Felix Benneckenstein rutschte als Jugendlicher in die bayerische Neo-Nazi-Szene. Durch die Musik, die er machte, brachte er es zu einiger Popularität unter den Rechtsradikalen. „Ich schäme mich für früher“, sagt der junge Mann. Der Gedanke auszusteigen, wuchs über die Jahre beständig. Gemeinsam mit seiner damaligen Freundin und heutigen Frau machte er Ernst und verließ mit Unterstützung des Vereins Exit die Szene. Doch die Konsequenzen sind kaum zu ermessen, Bedrohungen und Beschimpfungen inklusive. „In der Szene sind wir die Verräter“, sagt Felix Benneckenstein. Trotz allem hoffen seine Frau Heidi und er irgendwann auf ein normales Leben, das sie nicht nur auf das Aussteigerpärchen reduziert. Zu Gast war Felix Benneckenstein im Rahmen des Projektes „Warm up!“ der Mecklenburger „Anstiftung“, das seit dem vergangenen September an der Nieparser Schule läuft. Dabei geht es um Demokratie – aus vielen verschiedenen Blickwinkeln. Denn was sich erst einmal etwas trocken anhört, ist verbunden mit vielen Workshops und Projekttagen. „Die verteilen wir auf drei Jahre“, erklärt Projektmanager Mattes Heyde. Dabei geht es um unterschiedliche Themen wie Kulturen, Vorurteile, Cybermobbing, das Erwerben von Medienkompetenzen... „Es geht um den Angstabbau“, erklärt Prof. Wolfgang Sucharowski. „Und das meint den Angstabbau vor dem Fremden genauso wie den vor der Zukunft.“ Und manchmal haben die Schüler die Chance, mit jemandem wie Felix Benneckenstein ins Gespräch zu kommen. „Das Projekt ist super, das können wir gern öfter machen“, sagt Danny abschließend. „Es ist schön, wenn wir die Schüler einfach zum Nachdenken anregen können“, sagt Schulsozialarbeiterin Claudia Anders. Miriam Weber

Niepars - „Ich schäme mich für früher“