Narren aus Richtenberg trotzen Corona

Keine singenden Kita-Kinder, keine Faschingsmucke und auch keine Menschenkette – zum Karnevalsauftakt am 11.11 um 11 Uhr hüpfen nur ein paar Elferratsmitglieder vor dem Rathaus in Richtenberg hin und her. Dort, wo sich sonst Massen versammeln, es jetzt wegen Corona aber nicht dürfen. Ab und zu hupen Vorbeifahrende, ganz so, als wollten sie Trost spenden – eben eine Aufmunterung in Corona-Zeiten. Ganz einsam rufen die Jecken: „Hast du Kummer, hast du Ärger, trink 'nen echten Richtenberger.“ Ein trauriger Karnevalsauftakt: Und gerade beim RCC-Präsidenten Axel Habeck klingt es erst traurig, dann aber auch so, als wollte er sich und den anderen Narren Mut zusprechen, nach dem schon die eine oder andere Träne geflossen ist. Denn so einen mickrigen Karnevalsauftakt gab es noch nie in der 38-jährigen Geschichte des Richtenberger Carnevalclubs. Der legendäre Festumzug und die beliebten Nachtwäschebälle zum Beginn der Faschingssaison wurden aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt, und auch die stets ausverkauften Faschingsfeiern hat der RCC schon gekanzelt. Was bleibt vom berühmten Richtenberger Fasching im Jahr 2020 ist vorerst diese Mini-Aktion um 11.11 Uhr. Ganz ausfallen lassen wollten die Richtenberger die Schlüsselübergabe nicht, im Gegenteil, sie wollten ein Zeichen setzen, unter Beachtung der Corona-Regeln, versteht sich. So wurde der Rathausschlüssel diesmal an der Wäscheleine heruntergelassen. In der oberen Etage des Rathauses stand Bürgermeister Karldiether Wegner, unten wartete RCC-Präsident Habeck auf das goldene Schlüsselchen, das nach ein paar Sekunden auch unversehrt bei den Narren ankam. „Auch wenn Corona-Krise ist, den Rathausschlüssel brauchen wir trotzdem“, so Axel Habeck und zwinkert. Denn die Karnevalisten sind inzwischen wirklich ins Rathaus eingezogen, unters Dach. Ihr bisheriges Domizil , die Grundschule, wird anderweitig gebraucht. So hat man es sich nun direkt in der Richtenberger Machtzentrale gemütlich gemacht. Bürgermeister rückt zum letzten Mal den Schlüssel raus: Zuvor hatte Bürgermeister Karldiether Wegner etwas wehmütig seine traditionellen Reime vorgelesen. Und das hatte eher weniger mit Corona zu tun. Das Stadtoberhaupt verabschiedet sich zum Jahresende aus der Kommunalpolitik, verlässt den Bürgermeisterstuhl. „Deshalb ist es mir wichtig, euch heute noch einmal persönlich den Schlüssel zu geben, und ihr bekommt ihn für ein ganzes Jahr“, sagt er mit Blick auf die ausgefallene Saison, denn im nächsten Jahr soll alles nachgeholt werden. „Wir sind unendlich traurig. In all den Jahren haben wir schon mit den verschiedensten Problemen kämpfen müssen. Aber das eine ganze Saison ausfallen soll, das gab es noch nie“, sagt Axel Habeck geknickt. Klar, Fasching unter Corona-Regeln ist undenkbar. Sinn des Ganzen ist ja, dass die Leute gemeinsam feiern. „Da ein Hygienekonzept einzuhalten, ist unmöglich. Das ist dann ja kein Karneval mehr, und außerdem können wir nicht die Verantwortung übernehmen. Wir machen das alle ehrenamtlich“, so der 55-Jährige. „Unser Prinzenpaar steht dann für die Saison 21/22 bereit. Bis dahin bleiben Prinz Andreas und Prinzessin Birgit natürlich im Amt“, der RCC-Prsäi weiter. Doch er weiß natürlich, dass es für alle Beteiligten schwer ist, sich in so einer verkorksten Saison zu motivieren... „Wir hatten natürlich schon mit der Vorbereitung begonnen, da wurden Kulissen gebastelt und gemalt, viele haben schon geübt. Naja, das schieben wir alles weiter.“ Genau wie das Motto der 38. Session: Walt Disney. RCC gibt die Hoffnung nicht auf: Der RCC hatte wegen Corona auch schon mehrfach das Casting für die neuen Kinderfunken verschoben. Da sollten sich die Lütten melden, um bis zur Faschingssaison schon die erste Schritte zu lernen. „Das haben wir jetzt komplett auf 2021 geschoben und hoffen, dass dann mal wieder ein normales Leben funktioniert“, so Habeck, hält aber an der Idee der neuen Garde fest. „Und wir verordnen uns selbst etwas Optimismus. Denn was kommt, wissen wir nicht, aber wir hoffen, dass bald wieder ein Training der Funken möglich ist“, sagt der RCC-Chef und schiebt hinterher: „Und wer weiß, vielleicht machen wir ja dann im März oder April einen Nachtwäscheball. Wir sind so gut aufgestellt, dass wir das dann hinkriegen würden. Also, hoffen wir mal das Beste. Wäre doch toll, wenn wir den Menschen nach Corona-Ängsten endlich wieder etwas Freude, Abwechslung und Spaß bringen könnten.“ Lesen Sie auch: Stralsund: Neues Buch über die Hansestadt erschienen Tribsees und Richtenberg: Landflucht bereitet Städten Probleme Stralsunder OZ-Kolumne: Wenn Corona erfrieren soll Von Ines Sommer