Ostern im Lockdown: Freude im Zoo, Frust bei Fischverkäufern

Leere Zufahrtsstraßen, eine ausgestorbene Altstadt und Maskenpflicht auf der verweisten Hafeninsel vor dem Ozeaneum. In der Hansestadt Stralsund dominiert eine merkwürdige Stimmung das Osterfest. Große Feiern und Zusammenkünfte sind laut Corona-Verordnungen des Landes MV untersagt. Dafür dürfen sich die Menschen alleine oder in kleinen Gruppen im Freien bewegen, können an der Sundpromenade spazieren gehen, über die Halbinsel Devin wandern – oder den Stralsunder Zoo besuchen. Zootiere erfreuen Kinderherzen: Zum Glück für viele Kinder: Der Zoo blieb über Ostern offen. So hatten viele der kleinen Stralsunder eine muntere Oster-Bescherung. Der Andrang war am frühen Sonntagnachmittag besonders groß – denn Corona zum Trotz wurde der Osterhase erwartet. Vor dem Eingang gab es einen Stau. Großer Andrang und die Abgabe von Kontaktdaten führten zu einer langen Schlange. Wer es geschafft hatte, wurde drinnen jedoch gleich überrascht, so wie der zweijährige Enzo Last. Der Stralsunder brauchte nicht lange anstehen. Er und seine Eltern Judy und Steffen Last zählten zu den ersten Gästen. Sie wurden prompt von den Berufsosterhasen Maria und Jason Schulz begrüßt. Für viele Besucher ein echtes Highlight: Das neue Kükenhaus. Es wurde erst kurz vor Ostern fertig und beherbergt nun Küken und kleine „Osterhasen.“ Auch ein neuer, tierischer Star eroberte die Kinderherzen: Vor wenigen Tagen wurde das Watussi-Baby „Lilit“ geboren. Da die Rinderrasse ursprünglich aus Afrika stammt, hätte sich das Team für diesen afrikanischen Namen entschieden, erklärt ein Sprecher der Stadt. Viel los im Naturschutzgebiet Devin: Viele Spaziergänger waren auf der Halbinsel Devin unterwegs. Am Sonntagnachmittag war der Parkplatz am Naturschutzgebiet nahezu am Limit. Komplett zugeparkt wie im Hochsommer oder zur Rodelsaison in den Winterferien war er jedoch nicht. Ein Blick auf die Kennzeichen der Autos verriet: Hier waren fast ausschließlich Einheimische unterwegs. Im Heck eines Transporters mit Greifswalder Kennzeichen befand sich ein unaufgeräumtes Bett. Für einen Mittagsschlaf war dieser Parkplatz jedoch nicht geeignet. Denn durch die vielen Besucher war es laut im Naturschutzgebiet: Hunde liefen ohne Leine herum, Walker wanderten neue Wege, ein Paar schob seinen Kinderwagen querfeldein den Hang hoch. Offenbar wollten sie so schneller den Aussichtspunkt Höhe 23 erreichen. Auto-Picknick auf der Hafeninsel: Auf der Sundpromenade und auf der Hafeninsel waren auch etliche Spaziergänger unterwegs. Doch ohne Urlauber war der Andrang hier überschaubar. In der Fußgängerzone vor dem Ozeaneum trug kaum einer eine Schutzmaske. Dort waren aber auch kaum Menschen unterwegs. Wer ins Ozeaneum wollte, setzte am Eingang die Maske auf. An der Fährbrücke vor der Gorch Fock sammelten sich etliche Autos für ein Picknick: Unter ihnen Siegfried Jänsch (79) und seine Lebensgefährtin Christa Lemke (80). Er fuhr seine Lebensgefährtin in seinem Oldtimer an die Kaikante – und überraschte sie dort mit einem Picknick. „Wir lassen uns Ostern doch nicht vermiesen“, sagt der ehemalige Malermeister Jänsch. „Kuchen und Kaffee haben wir dabei. Wir sind mittlerweile darauf eingestellt, dass die Cafés zuhaben.“ Bei dem schmuddeligen Aprilwetter würden sie es ohne Auto nicht lange am Hafen aushalten. Fischverkäufer sauer: „Dieses Ostern ist eine Katastrophe!“: Die wenigen Gastronomen, die „Cocktails to Go“ oder Fischbrötchen verkaufen durften, hatten über das Wochenende mit mehr Gästen gerechnet. „Für unsere Branche ist dieses Ostern eine Katastrophe“, sagt Dirk Qualen vom Kutter Nordstern. Am Ostersonntag verkaufte er kurz nach 16 Uhr bereits die letzte Portion „Fisch und Fritten“ – danach machte er mangels Kunden den Kutter zu. „Das schlechte Wetter ist nicht Schuld. Wir verkaufen hier auch gut, wenn es regnet“, sagt er – und nennt einen anderen Grund: „Die Polizei weist die Leute an der Grenze ab. Das schreckt viele ab.“ Zum Überleben bräuchte die Fish & Ships Kutter Nordstern GmbH jedoch Urlauber und Tagestouristen – genau wie alle anderen Gastronomen und Hoteliers der Hansestadt auch. „Ich bin dankbar für jeden Stammkunden. Sie helfen uns durch die Krise“, sagt er. Das ganze Hin- und Her der Politik müsse endlich enden. „So kann keiner planen“, sagt Qualen. Ihm sei klar, dass sich die Welt in einer außergewöhnlichen Situation befindet – er selbst würde die Verantwortung für 80 Millionen Menschen nicht tragen wollen. Dennoch: „Sie sollten uns wirtschaften lassen. Es bringt doch nichts, wenn unsere Unternehmen kaputtgehen.“ Lesen Sie auch Verschärfte Corona-Regeln in Stralsund: Was Bewohner wissen sollten Stralsund: Agentur für Arbeit bietet Berufsberatung für Beschäftigte an Touristen Ostern aus MV verwiesen: Warum keine Kontrollen an Rügenbrücke? Rastplatz Rügenblick: Hamburger in Stralsund nur auf „Durchreise“: Auf den Straßen im Landkreis war nicht viel los. Aus Berlin rollten in Richtung Ostsee auf der A 20 und der B 96 nur wenige Autos. Bei einer Stichprobe kam ein Großteil der Pkw aus Berlin, Hamburg, Sachsen oder Dänemark. Die meisten davon jagten jedoch eher einem Fischbrötchen auf der Insel Rügen hinterher. Auf dem Rastplatz Rügenblick an der B 96 ergab sich am Sonntagnachmittag folgendes Bild: Ein Auto aus Pinneberg parkte auf dem Lkw-Streifen. Direkt gegenüber vor dem Toiletten-Häuschen machte eine kleine Reisegruppe lautstark Picknick. Ihren BMW mit Hamburger Kennzeichen hatten sie auf dem Behindertenparkplatz abgestellt. Die vier Männer und eine Frau standen am geöffneten Auto. Zwei von ihnen rauchten eine Zigarette, einer verteilte Schnittchen aus einer Box. Angesprochen auf den Grund ihrer Reise, reagieren sie zögerlich. Dann sagte einer: „Wir sind nur auf der Durchreise. Über Rügen.“ Von Kay Steinke