Querdenker-Demo in Stralsund ohne angekündigten Ex-AfD-Mann Kalbitz

Für 200 Teilnehmer wurde die Demonstration von der „Bürgerbewegung MV-HST“ beim Landkreis Vorpommern-Rügen angemeldet – gute 150 waren am Montagabend auf dem Alten Markt dabei und schlossen sich dem Marsch durch die Stralsunder Altstadt an. Wie auch in den vergangenen Wochen kritisierten sie Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung und die Entwicklung des Impfstoffs. Eine Rednerin ging sogar noch einen Schritt weiter und erklärte, dass all jene, die die Regeln einhalten, nicht mehr erreichbar seien, weil „sie alle in einer Sekte sind und jeden Morgen und Abend ihre Dröhnung bekommen“. Alternativen, wie man der Pandemie begegnen solle, hatte indes niemand in seiner Rede parat. Auf der Veranstaltung der Querdenken-Bewegung in Stralsund sollte Rechtsextremist Andreas Kalbitz als Redner auftreten, so zumindest war es in den sozialen Netzwerken angekündigt worden. Kalbitz war Mitglied der AfD und zählte dort zum völkisch-nationalistischen Parteiflügel. Kalbitz in Bergen von der Polizei festgehalten: Doch der Mann, der per Verfahren aus der AfD ausgeschlossen wurde, weil er über viele Jahre Mitglied diverser rechtsextremistischer Vereinigungen gewesen war und das verschwiegen hatte, kam in Stralsund nicht an. Er war von der Polizei in Bergen im dortigen AfD-Büro abgepasst worden. „Wir haben Herrn Kalbitz auf die Einreisebestimmungen, die für unser Land gelten, aufmerksam gemacht. Nach den uns vorliegenden Erkenntnissen war er nicht berechtigt, sich in MV aufzuhalten“, so eine Polizeisprecherin. Ober er das Bundesland verlassen hat, stand am Montagabend zu Redaktionsschluss noch nicht fest, denn Kalbitz selbst wollte rechtliche Schritte prüfen. Angekündigter Kalbitz-Auftritt rief Gegendemonstranten auf den Plan: In Stralsund hatte allein die Ankündigung des Kalbitz-Besuches für viel Gegenwind gesorgt. Stadtverwaltung und die Stralsunder Wohnungsbaugesellschaft setzten ein ganz eigenes Zeichen: Der sonst derzeit weihnachtlich erleuchtete Alte Markt blieb an diesem Abend dunkel. Bei einer spontan organisierten Gegendemonstration wurde es vor allem mit Gesängen und Trillerpfeifen mächtig laut – und mit Lichterketten bunt. Auf Transparenten wurde vor allem darauf aufmerksam gemacht, dass zwar jeder seiner Meinung sagen könne, aber das, ohne sich mit Neonazis gemein zu machen. Die Jusos des Landkreises Vorpommern-Rügen plädierten für ein buntes und weltoffenes Stralsund. „Ich bin wirklich stolz, dass unsere jungen Leute oft so schnell reagieren und ordentlich Pfeffer reinbringen“, sagt Beatrix Hegenkötter von der SPD. In diesem Fall sei klar gewesen, mit einem gemeinsamen Statement von Parteien und Vereinen ein Zeichen gegen rechte Hetze zu setzen. Breites Bündnis gegen Rechts: Zu den Unterzeichnern des Statements gehören neben den Jusos unter anderem auch die SPD-Fraktionen der Stralsunder Bürgerschaft und des Kreistages, der Deutsche Gewerkschaftsbund der Region Vorpommern, die Jugendkunstschule, der Verein Tutmonde, der Stadtverband der Linken, die Partei, Rock gegen Rechts Stralsund, Fridays for Future, die Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen und die Bürgerschaftsfraktion Bündnis 90/Die Grünen/Die Partei oder die Mitglieder des Bundestages Kerstin Kassner, Claudia Müller und Sonja Steffen. Auch der Kreisverband von Bündnis 90/Die Grünen findet klare Worte zum angekündigten Auftritt von Kalbitz: „Mit einer solchen Aktion fällt die demokratische Maske, die die sogenannte Querdenken-Bewegung gerne aufsetzt, solange sie demokratische Rechte einfordert. Ein klares Bekenntnis zur Demokratie fehlt aber offensichtlich, wenn es darum geht, Leuten wie Andreas Kalbitz auch öffentlich deutlich zu machen, dass man sich von Rechtsextremen klar distanziert und mit ihnen nichts gemein haben will“, erklärt Jürgen Suhr, Vorsitzender des Kreisverbandes. Polizei: Einsatz ohne großen Zwischenfälle: Federführend für die Absicherung durch die Polizei war das Hauptrevier Stralsund, das von benachbarten Dienststellen und Kräften der Bereitschaftspolizei unterstützt wurde. „Wir hatten in Spitzen 250 Demonstranten bei dem Aufmarsch und etwa 130 Gegendemonstranten“, so Polizeisprecherin Stefanie Peter auf OZ-Anfrage. Es sei zwar laut und impulsiv zugegangen, größere Störungen oder Zwischenfälle, die zu weiteren Polizeimaßnahmen geführt hätten, wurden bis Redaktionsschluss aber nicht gemeldet. Von Ines Sommer und Miriam Weber