Schloss, Hafen, Strand: Parow stehen schwere Zeiten bevor

Hat sich die Gemeinde nördlich von Stralsund übernommen? Angesichts der Haushaltszahlen könnte man das vermuten. Kramerhof fehlen liquide Mittel, und so ist die 1766-Seelen-Kommune nur mit einem Kassenkredit überhaupt handlungsfähig, und der wächst bis November auf 975000 Euro. Das meiste Vermögen der Gemeinde steckt in den erschlossenen Grundstücken für geplante Feriengebiete und Marina (die zwischenzeitlich zu einem Wasserwanderrastplatz geschrumpft ist). Das Geld steckt quasi im Boden, nutzt aber für die laufenden Geschäfte der Gemeinde nichts. Seit Jahren ringt Kramerhof um den Verkauf besagter Grundstücke. Immer wieder gab es Interessenten, doch Zählbares kam nicht heraus. Das soll sich jetzt ändern. „Die NCC Deutschland hat sich zum Ankauf der Flächen im Feriengebiet Parow bekannt. Sie will 1,3 Millionen Euro dafür zahlen, die erste Rate von 500000 Euro soll in diesem Jahr kommen“, erklärte Andreas Könning von der Wählergemeinschaft „Aktiv für Kramerhof“, auch Vorsitzender des Finanzausschusses der Gemeindevertretung. NCC wurde übrigens 1964 als Industriebau Fürstenwalde gegründet und ist inzwischen seit 50 Jahren im Immobilienmarkt aktiv, seit 1997 als Tochter des skandinavischen Bau- und Immobilienkonzerns NCC AB. Das Geld ist fest eingeplant, um Investitionen über die Bühne zu bekommen. Oder zumindestens die Planungen dafür. 17900 Euro hat Kramerhof für die Strandgestaltung in Parow im Haushalt. Kleinigkeiten wie der Lagerschuppen an der Minimanufaktur und ein Lichtmast in Parow schlagen mit insgesamt 8000 Euro zu Buche. Etwas reger wurde die Haushaltsdebatte beim Thema Orangerie. Gemeinde und Jugendhaus Storchennest wollen das alte Gebäude sanieren und für touristische Zwecke nutzen. Das Ganze wurde im Leader-Verein zum Leitbildprojekt gemacht. Geschätzte Gesamtkosten: 680 000 Euro. Nach Abzug der Förderung bleiben für Kramerhof über 220000 Euro. „Geld, das wir nicht haben, können wir doch nicht ausgeben. Ich finde es unverantwortlich, die Orangerie zu sanieren. Mal abgesehen davon, dass die Bürger unserer Gemeinde nichts davon haben“, sagte Wolfgang Breitkreutz von der Wählergemeinschaft „Bürger für Kramerhof“. Andreas Könning meinte: „Die Finanzierung hängt schon von NCC ab. Fließt das Geld nicht, müssen wir die Orangerie schieben oder einen Kredit aufnehmen.“ Die leitende Verwaltungsbeamtin Ines Materna-Braun erklärte, dass es sich jetzt nur um einen Grundsatzbeschluss handle. „Der ist wichtig, um überhaupt einen Fördermittelantrag stellen zu können. Es geht jetzt noch nicht um konkrete Vertragsverhandlungen.“ Am Ende stimmte die Mehrheit der Abgeordneten nicht nur für das Projekt Orangerie, sondern auch für den gesamten Haushalt. Dass Kramerhof so arg in die roten Zahlen rutscht, hat mehrere Ursachen. „Erstens bekommen wir keine Schlüsselzuweisungen vom Land, das liegt auch an der hohen Gewerbesteuer in vergangenen Jahren. Aber schaut man sich die Entwicklung an, so haben wir gerade da einen großen Einbruch. 2013 haben wir 979000 Euro bekommen, für dieses Jahr sind nur 634000 geplant“, erklärte Finanz-Chef Könning und führt zwei Beispiele an. „Mc Donald‘s zahlt aufgrund veränderter Steuermodelle bei uns jetzt weniger. Im Strelapark stagnieren die Umsätze. Das sind Dinge, die müssen wir hinnehmen, da können wir nicht viel machen.“ Außerdem: Von 235 erfassten Unternehmen in Kramerhof zahlen nur 43 Gewerbesteuer. Die großen Aufgaben mit Schloss, Strand und Hafen ließen sich in den nächsten Jahren nur mit erfolgreichen Grundstücksverkäufen schultern, so Könning. Und klar ist auch, dass die Rücklagen der Gemeinde aufgebraucht sind. Betrachtet man nur die Einnahmen und die Pflichtausgaben, hat Kramerhof 2015 ein Loch von 222000 Euro, das so genannte strukturelle Defizit. Folgen noch freiwillige Leistungen sowie Kredit- und Zinszahlungen, wächst das Minus rasant. Zum Beispiel, weil Kramerhof Kredite der mittlerweile aufgelösten Entwicklungsgesellschaft abzustottern hat. 97500 sind für die Tilgung, 21000 für Zinsen hinzublättern. Der Schuldenstand liegt dann Ende des Jahres bei knapp 800000 Euro und ergibt eine Pro-Kopf-Verschuldung von 446 Euro. Und dann will das Land auch noch Fördermittel zurückhaben. 120000 Euro sind da nach Schwerin zu überweisen, weil eben aus der Marina nur der Mini-Hafen wurde und alles etwas abgespeckt ist. Allerdings hat die Gemeinde noch nicht mal die genauen Zuwendungsbescheide vom Land, geschweige denn weiterführende Zahlungsmodalitäten. Fakten aus dem Kramerhofer Haushalt Einnahmen Grundsteuer A: 15100 Grundsteuer B: 246100 Gewerbesteuer: 634000 Einkommenssteuer: 612600 Hundesteuer: 24300 Schlüsselzuweisung: 0 Familienausgleich: 111500 Ausgaben Kreisumlage: 879400 Amtsumlage: 317 000 Schulumlage gesamt: 247500 Kita-Zuschuss: 242000 Umlage Jugendarbeit: 11300 Brandschutz: 16600 Gewerbesteuerumlage: 74000 Personalkosten (Aufwandsentschädigung und Gemeindearbeiter): 85600 Abschreibungen: 199800 Freiwillige Leistungen Gemeindefeste und Seniorenarb.: 1700 Zuschuss Strukturförderverein: 16400 Jugendwassersport: 2000 Veranstaltungen: 2500 Schulden Ende 2015: 796000 Zinsen für Kredite: 21100 Tilgung: 97 500 Investitionen: 94000 Rückzahlung ans Land: 120000 Bitter! In den 90er-Jahren hat Kramerhof ein riesiges Straßenbauprogramm über die Bühne gezogen, um die Marinetechnikschule in Parow gut anzubinden. Da wurden Millionen bewegt. Ein Verdienst der Entwicklungsgesellschaft. Auch die Wohngebiete in den Ortsteilen wurden schnell gefüllt. Doch mit Feriendomizil und Marina hatte Kramerhof kein glückliches Händchen. Zig Aktenordner belegen die Streitigkeiten mit Raumordnung und anderen Landesbehörden. Jahre vergingen. Was blieb, sind erschlossene Flächen, die man x-mal an den Mann bringen wollte. Bisher erfolglos. Das kommt einem irgendwie bekannt vor, denn auch Wendorf hat mit solch einem Erbe seit 20 Jahren zu kämpfen: Man zahlt millionenschwere Kredite ab, doch die Flächen, die einst das Geld verschlangen, liegen brach. Da nützen auch die gigantischen Gewerbesteuer-Einnahmen nichts. Und für den vom Land vergebenen Titel „Abundanz-Gemeinde“ (Synonym für reich) können sich die beiden Kommunen schon mal gar nix kaufen... Ines Sommer

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