Stralsund: Airline Sundair braucht wegen Corona einen Schutzschirm

Sundair befindet sich in der ersten großen Krise und muss neu ausgerichtet werden. Nach einem verhängnisvollen Frühjahr wollte die junge Stralsunder Airline das Geschäft ab Juli wieder ankurbeln – so wie die gesamte Luftfahrtbranche. Doch durch den erneuten Lockdown wird daraus vorerst nichts. Auch im November werden die mittlerweile sieben Maschinen größtenteils am Boden bleiben. Um eine coronabedingte Insolvenz frühzeitig abzuwenden, hat sich die Airline nun in ein Schutzschirmverfahren begeben. Über den Winter soll Sundair restrukturiert werden. Geschäftsführer Rossello seit Oktober 2020 alleiniger Gesellschafter: Geschäftsführer Marcos Rossello hat beim Amtsgericht Stralsund einen entsprechenden Antrag gestellt, dem das Gericht bereits gefolgt ist. Sundair ist derzeit kein Einzelfall, auch andere Airlines leiden unter den Folgen der Pandemie – ihnen fehlen die Passagiere. Mit Hilfe des Schutzschirmverfahrens will Rossello, Gründer der Airline und seit Übernahme der Anteile von Schauinsland-Reisen im Oktober 2020 auch alleiniger Gesellschafter, das Unternehmen in Eigenverwaltung zukunftsfähig machen. „Unsere gute Entwicklung vor der Pandemie zeigt, dass Sundair ein tragfähiges Geschäftsmodell hat“, sagt Marcos Rossello. Während des Schutzschirmverfahrens soll der Betrieb weiterlaufen. Passagierzahlen brachen mit Corona-Krise erstmals ein: Für die erst 2016 von Marcos Rossello gegründete Airline ist die Corona-Krise eine harte Prüfung. Bisher befanden sich die Stralsunder nur auf Wachstumskurs. Nach rund 38 000 Passagieren im Jahr 2017 und 300 000 im Jahr 2018 beförderte die Airline 2019 rund 500 000 Fluggäste. Dabei arbeitete Sundair nach eigenen Angaben bereits im zweiten Jahr nach Aufnahme des Flugbetriebs profitabel. Mit der Corona-Krise brach das Fluggeschäft weltweit ein. Auch alle Sundair-Flieger mussten zeitweise am Boden bleiben. Aktuell liegen die Passagierzahlen deutlich unter Vorjahresniveau. Noch keine „coronabedingte Pleitewelle“ in Stralsund: Dr. Sascha Ott, Direktor des Stralsunder Amtsgerichts, lobt den Schritt von Sundair. „Es spricht für gute Unternehmensführung, wenn jemand so vorausschauend agiert“, sagt Ott. Der Schutzschirm sei ein „vorgeschaltetes Insolvenzverfahren“. So könne die Firma in Eigenverwaltung aus den Schwierigkeiten kommen. Diese sanfte Form einer Insolvenz ist innerhalb des deutschen Rechts laut Ott noch ein sehr neues Modell und findet in Vorpommern selten Anwendung. Wegen Corona kriseln auch andere Firmen und Branchen. Laut Ott ist die Zahl der Insolvenzen in Stralsund jedoch noch nicht gestiegen. „Ich informiere mich täglich über die Zahlen. Derzeit haben wir so viele Insolvenzen wie sonst auch.“ Eine coronabedingte „Pleitewelle“ ist für den Direktor noch nicht sichtbar. Was Sundair-Kunden wissen sollten: „Wir wollen uns innerhalb kurzer Zeit neu aufstellen. Ziel ist es, nach der Corona-Krise unseren Weg als starker Partner für Reiseveranstalter, Flughäfen und vor allem Kunden fortzusetzen“, so das Ziel von Rosello. Alle geplanten Flüge sollen im Einklang mit den geltenden Corona-Bedingungen stattfinden. „Wir werden auch weiterhin unsere Gäste sicher, zuverlässig und pünktlich an ihr Ziel bringen“, so Rossello. Bereits gekaufte Tickets sollen ihre Gültigkeit behalten. Lesen Sie auch Stralsund: Hochschule schränkt Präsenzbetrieb weitgehend ein Vorpommern-Rügens Landrat: „Wir werden als Erste fordern, den Tourismus wieder zu öffnen“ Stralsund vor Lockdown: So erlebten Gäste das letzte Wochenende vor der großen Pause Was mit den Sundair-Mitarbeitern passiert: Rund 240 Mitarbeiter beschäftigt Sundair. Sie wurden über das geplante Vorgehen unterrichtet. Löhne und Gehälter sollen während des Verfahrens über die Bundesagentur für Arbeit abgesichert sein. Sundair führt bereits Gespräche mit wichtigen Gläubigern und Partnern. „Die Reaktionen waren äußerst positiv“, sagt Rossello. „Alle haben dem Unternehmen ihre volle Unterstützung zugesagt.“ Mit den Gläubigern wird in den kommenden Monaten der Sanierungsplan abgestimmt. „Der Plan bildet die Grundlage dafür, dass Sundair aus dem Schutzschirmverfahren als ein gesundes und langfristig profitables Unternehmen hervorgehen wird“, sagt der Restrukturierungsexperte Thomas Mulansky, der die Airline unterstützt. Sundair hätte die wirtschaftlichen Probleme frühzeitig erkannt und derzeit noch ausreichend Handlungsspielraum für eine eigene Lösung. Innerhalb eines halben Jahres soll die Sanierung abgeschlossen sein. Sundair ist eine 2016 gegründete Fluggesellschaft mit Sitz in Stralsund und Basen an Flughäfen in Kassel, Berlin, Dresden und Bremen. Die Stralsunder Airline bedient im Ferienflugverkehr Ziele im Mittelmeerraum, am Roten Meer und auf den Kanarischen Inseln. Die Airline fliegt überwiegend für Reiseveranstalter wie Schauinsland-Reisen. Daneben unterhält sie eine Linienverbindung nach Beirut. Ein Teil der Umsätze wird über Sonder- und Charterflüge erzielt. Hierzu gehören unter anderem Charterflüge für Fußballvereine oder Orchester. Das Unternehmen beschäftigt derzeit rund 240 Mitarbeiter. Rund 160 Mitarbeiter gehören zum „fliegenden Personal“ (Piloten, Kabinen-Crew). Rund 80 Mitarbeiter sind am Boden für Technik, Administration oder Buchhaltung tätig. Hilfe bekommen die Stralsunder zudem von Prof. Lucas Flöther, einem in der Flugbranche führenden Experten für Insolvenzrecht. Mit seiner Kanzlei hatte er auch die Neuausrichtung der deutschen Fluglinie Condor, die zur insolventen Thomas-Cook-Gruppe gehörte, überwacht. Flöther wird im Fall von Sundair die Interessen der Gläubiger wahren. 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