Stralsund: Das ist die älteste Firma der Stadt

Als Journalisten finden wir es gut, wenn wir die Ersten sind, von denen Menschen etwas erfahren. Folgender Dialog war aber doch unerwartet. „Schönen guten Tag. Mein Name ist Kai Lachmann. Ich rufe von der OSTSEE-ZEITUNG an. Wir machen zurzeit eine Serie: Stralsunder Adventskalender.“ „Davon habe gelesen. In einem Beitrag stand drin, dass Grönhagen die drittälteste Firma der Stadt ist, die noch besteht. Da habe ich mich gefragt, welche wohl die älteste ist.“Da antwortete Kai Lachmann von der OZ: „Das ist Ihre. Deshalb rufe ich an.“ Und Peter Wahl sagte: „Was? Meine? Na, das ist ja ’n Ding!“ Peter Wahl ist ein herzlicher und lustiger Zeitgenosse. Der Inhaber von Pumpen-Wahl in der Langenstraße lacht gern und viel. Dass sein Unternehmen sehr alt ist, wusste er natürlich. Sein Ur-Ur-Großvater Friedrich Wahl gegründete es 1851. Dass es die älteste, noch bestehende Firma ist, war ihm jedoch tatsächlich neu. „Aber davon kann ich mir auch nichts kaufen“, sagt er. Und lacht. Pumpenbau ist Saisongeschäft: Er öffnet die Nummer 14 unseres Adventskalenders. Eine braungestrichene Holztür, an der ein altes Firmenschild seines Ur-Großvaters Ernst Wahl hängt. Darunter ist ein weiteres Schild. Möglicherweise hat es schon viele Fragen von Kunden beantwortet, bevor sie diese überhaupt zu Ende denken konnten: „Wo genau muss ich..?“ „Dort“ ist da zu lesen. Daneben eine Hand, die den Weg ins Haus zeigt. „Find’ ich witzig“, sagt Peter Wahl. Genau sein Humor. Sie haben eine Folge des Stralsunder Adventskalenders verpasst? Hier sind alle bisher veröffentlichten Teile im Überblick: Stralsunder Adventskalender Tür 13: Seit 30 Jahren im Dienste der Maske Stralsunder Adventskalender Tür 12: Was passiert, wenn die Nase abfällt? Stralsunder Adventskalender Tür 11: Hinter dieser Tür geht es hoch hinaus Stralsunder Adventskalender Tür 10: In diesem Stralsunder Raum geht es um Leben und Tod Stralsunder Adventskalender Tür 9: Schicker Schmuck aus wuseliger Werkstatt Stralsunder Adventskalender Tür 8: Wenn der OB ins Hinterzimmer lädt Stralsunder Adventskalender Tür 7: Das verbirgt sich hinter Stralsunds wohl schönster Tür Stralsunder Adventskalender Tür 6: In dieser Brücke riecht es nach U-Boot Stralsunder Adventskalender Tür 5: So sieht es im Inneren der Stralsunder Rügenbrücke aus Stralsunder Adventskalender Tür 4: Der Tapentensaal – Raum voller Rätsel Stralsunder Adventskalender Tür 3: Tür auf zu Stralsunds ältestem Schiff: die „Aken“ Stralsunder Adventskalender Tür 2: Eine der ältesten Türen ist wieder schick Stralsunder Adventskalender Tür 1: Keller erzählt Storys von Bier, Bush und Störtebeker Wer Stralsunds älteste Firma betritt, sieht zunächst das, worum es hier überhaupt geht: Pumpen, klassisch mit Handschwengel, eine Zierde für jeden Garten. Sie sind etwas eingestaubt. „Das Pumpen-Geschäft ist saisonabhängig. Im Winter ist nicht viel los. Hat ja auch keinen Sinn“, erklärt Peter Wahl. Erst kürzlich habe er einer Kundin abgeraten, mit dem Brunnen-Aushub und der Installation einer Pumpe im Garten zu beginnen. „Was braucht Sie denn jetzt noch zusätzliches Wasser?“, fragte Wahl und die beiden einigten sich, nach dem Frost im Frühjahr das Projekt in Angriff zu nehmen. Früher hatte die Firma zwölf Mitarbeiter, heute einen: Auf Rügen habe er viel zu tun, ebenso im Stralsunder Umland, berichtet der 50-Jährige. Als Solo-Selbstständiger baut er Hydrophoranlagen, moderne Pumpensysteme, die optisch nichts mehr mit den Schwengelpumpen gemein haben. Kunden des Gas-Wasser-Installateur-Meisters sind Kleingärtner und Hausbesitzer, die ihr Wasser aus dem eigenen Brunnen fördern. Früher zählte der Betrieb mal elf, zwölf Angestellte. Aber das ist lange her. „Die sind nach und nach alle in den Ruhestand gegangen“, erzählt Wahl. Entlassen werden musste niemand. Von den Zeiten, als noch richtig Trubel auf dem Hof war, gibt es Fotos. Auch von Ausflügen oder lustigem Beisammensein mit Musik. „Die will ich alle noch aufhängen“, sagt der Firmeninhaber und zeigt auf die letzten freien Wandflächen in seinem Büro. Denn das ist gleichzeitig Lager für alle möglichen Rohrteile. Wohlsortiert liegen sie in Regalen bis unter die Decke. In der Ecke, in der sein Schreibtisch steht, hängen Porträts seiner Vorgänger. Betriebshof war ein Abenteuerspielplatz: Natürlich weiß er einiges aus der Firmenhistorie und erzählt gerne, dass in Kindheitstagen der Hof mit seinen Bauteilen und Werkzeugen für ihn der reinste Abenteuerspielplatz war. „Ich habe in die Kessel reingerufen und fand es toll, wie sehr es dann geschallt hat.“ Wenn Peter Wahl aber mehr über die Firma wissen will, fragt er schon mal im Stadtarchiv nach. Mitarbeiter Andreas Neumerkel hat Details parat: „Drechsler Daniel Johann Friedrich Wahl, der von Grimmen an den Strelasund zog und am 1. Februar 1851 Bürger der Hansestadt Stralsund wurde, hatte die Installationsfirma in dem Jahr in der Langenstraße 37 gegründet. Im Februar 1869 gelangte er in den Besitz des Hauses Langenstraße 50 und ließ es großzügig umbauen. Am 20. Dezember 1887 verstarb der Gründer von Pumpen-Wahl und sein Sohn Ernst übernahm die Leitung.“ Wird der Sohn die Tradition fortführen? Stets wurde die Firma vom Vater auf den Sohn übertragen. Auch Peter Wahl hat einen Sohn, 16 Jahre alt. „Ich hoffe, dass er Lust hat, daran anzuknüpfen. Es wäre schade, wenn ich in der fünften Generation den Laden zuschließen müsste“, meint der Vater. Kürzlich habe er mit seinem Sohn den Abfluss einer Badewanne wieder frei gemacht. „Bevor wir da Chemie reinkippen, probieren wir es mal mit einem Pümpel, habe ich ihm gesagt. Hat auch geklappt. Das hat mich zweimal gefreut. Einmal, weil der Abfluss frei war. Und einmal, weil er es gemacht hat.“ Von Kai Lachmann