Stralsund: Fußball-Urgestein Günter Baltrusch wird 79

Für die Fußballfans in Stralsund ist 2021 ein besonderes Jahr. Schließlich feierte eine ganze Stadt vor 50 Jahren ihre Kicker: Schon am vorletzten Spieltag, der am Pfingstsonntag, dem 30. Mai 1971, ausgetragen wurde, war das Kunststück vollbracht: Mit einem Heimsieg gegen die zweite Mannschaft des BFC Dynamo stand die kleine Sensation fest. Vorwärts Stralsund stieg nach der Saison erstmalig in die Beletage des DDR-Fußballs, die Oberliga, auf. Nach dem Schlusspfiff stürmten Tausende Fans den Rasen und trugen ihre Helden begeistert vom Platz. Wie Fußballer, Sammler, Stadionsprecher und Moderator Hartmut Stuhr in einem seiner Fußballbücher schrieb, hatten die Einheimischen ihre Matrosenelf mit Schiffssirenen und Schiffsglocken angefeuert. Am letzten Spieltag steckten die Stralsunder trotz des schon feststehenden Aufstiegs nicht zurück und bezwangen den Tabellenletzten Motor Warnowwerft Warnemünde auswärts mit 2:0. Lesen Sie auch: Zwischen Burnout und Weiterbildung: So geht es Lehrern als Seiteneinsteiger in MV Einer, der damals mit auf dem Platz stand, ist Günter Baltrusch. Der Kicker, der einst wie seine Mannschaftskollegen Eberhard Kögler und Günter Senz aus Dessau an den Sund wechselte, feierte am Dienstag seinen 79. Geburtstag. Er ist stolz auf diese Ära, die Stralsund die besten, nie wieder da gewesene Fußballzeiten bescherte. Denn damals kamen 6000 Zuschauer zu den Spielen ins Stadion der Freundschaft, manchmal sogar mehr. Vor allem auch 1974, als die „blauen Jungs“, wie die Armeekicker von der Küste liebevoll genannt wurden, ein zweites Mal in die Beletage des DDR-Fußballs, die Oberliga, aufstiegen. Unvergessen natürlich auch der 14. September 1974: Vorwärts Stralsund bezwang im Pokal Dynamo Dresden mit 3:2. Dem Sport blieb er treu: „Mein Vater hat noch lange Fußball gespielt, aber irgendwann waren die Kniee kaputt, dann ging das nicht mehr. Aber sportlich ist er immer geblieben. Ohne Sport ging bei ihm gar nichts. So hat er dann viele Jahre seine Kinder-Leidenschaft wieder gepflegt – und spielte Tischtennis“, sagt Anke Fuchs, wie ihre jüngere Schwester Karen Tochter von Günter Baltrusch und seiner Frau Edeltraut (die viele sicher noch als Bio- und Chemielehrerin aus der einstigen Karl-Liebknecht-Schule kennen). Stöbert man im Archiv, findet man viele Berichte über Günter Baltruschs Auftritte in verschiedenen TT-Ligen. Auch Tennis hat er gern gespielt, und gemeinsam mit den Kickerfreunden mischte er beim alljährlichen Fußball-Tennis im Hansedom mit. Wegen Corona fällt Familien-Geburtstag aus: „Mein Vater ist zwar schwer krank, doch er gibt nicht auf. Er hat sich fest vorgenommen, im Sommer wieder auf dem Tennisplatz zu stehen“, berichtet Anke Fuchs. Die 51-Jährige lebt inzwischen in Schleswig-Holstein und ist wie die ganze Familie traurig, dass Papas 79. ohne Familie stattfindet. Aber wegen Corona will keiner ein Risiko eingehen. Bis wieder mehr möglich ist, kurvt Günter Baltrusch mit seiner Frau (75), beide haben sich nach der Wende ein Häuschen in Negast gebaut und genießen die dortige Gemeinschaft, auf dem E-Bike durch die Gegend. Doch auch die Liebe zu Nordic Walking lässt die Eheleute so manche gemeinsame Tour starten. „Mein Vater freut sich schon, wenn er endlich wieder Gäste bekochen und begrillen kann, das mach er zu gerne, er liebt diese Gemeinschaft“, verrät Anke Fuchs. Sie ist sich ebenso sicher wie wir, dass zum Geburtstag das Telefon bei Günter Baltrusch nicht still stehen wird. Von Ines Sommer