Stralsund: Keine Party, keine Perspektive – Corona könnte „Clubsterben“ verschärfen

Die Corona-Krise trifft Clubs, Diskotheken und Veranstalter von großen Tanz-Events besonders hart. Auch bei den jüngsten Lockerungen werden sie nicht berücksichtigt. Das „Clubsterben“ der letzten Jahre könnte sich noch verschärfen, denn den Betreibern fehlt es aktuell noch immer an Perspektive. „Wenn es so weitergeht, müssen bundesweit zwei Drittel aller Clubs schließen“, sagt Robert Lüders, Chef des „Miura“, der Diskothek im Strelapark an der Stadtgrenze von Stralsund zu Kramerhof. Für ihn ist der Job des Betriebsleiters „seit sieben Jahren eine Herzenssache“, sagt er und blickt dabei wehmütig auf die leeren und verwaisten Räume in der Diskothek, in denen sich an guten Abenden und Nächten bis zu 500 Menschen drängten. Bis zum abrupten vorläufigen Ende. „Mittags um halb zwölf hieß es noch, ja, es kann weitergehen, und eine Stunde später kam dann das Nein.“ Wo sonst die Beats den Herzschlag bestimmen, herrscht seit zwei Monaten Stille, absolute Stille. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Seit Lockdown im März keine Einnahmen: Bundesweit droht das Geschäftsmodell der Diskotheken derzeit nahezu zu verschwinden. Mit seinen Ideen drängt der junge Betriebsleiter, der Mitglied im Bundesverband deutscher Discotheken und Tanzbetriebe e. V. ist, daher nicht nur auf die Entwicklung einer Perspektive für den eigenen Club. Er pocht auf Chancen für die gesamte Clublandschaft in Vorpommern, also auch für Werkstatt und T1. Die Lage sei für alle gleich. Seit dem Lockdown im März fehlen nicht nur der Betreiberfirma, die auch Großevents wie „Holi Festival Stralsund“, „Stralsund tanzt“ oder „Altefähr tanzt“ organisiert, die Einnahmen. Auch die Festangestellten und 25 Minijobber sind betroffen, die seitdem kein zweites finanzielles Standbein mehr haben. Das tägliche OZ Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Mecklenburg-Vorpommern täglich gegen 19 Uhr im E-Mail-Postfach OB Badrow will der Clubszene helfen: Bei einem Termin vor Ort machte sich Oberbürgermeister Alexander Badrow selbst ein Bild davon, wie die Lage von den Diskotheken aussieht. Auch da verdeutlichte Lüders die Dramatik: „Wir sind deutschlandweit gut vernetzt und können sagen: Diskotheken und Clubs halten das nicht mehr lange durch.“ Er hebt aber auch lobend hervor, dass Mecklenburg-Vorpommern eines der wenigen Bundesländer ist, bei denen die Clubs überhaupt in einem Stufenplan auftauchen – wenn auch erst in der letzten Stufe 5 im MV-Plan 2.0. Zudem bekräftigt er die Forderung der Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband), dass Richtlinien dafür aufgestellt werden müssten, wie es überhaupt weitergehen soll. „Wenn wir Wiedereröffnen, werden die Auflagen für uns viel strenger sein als bei Restaurants. Darauf müssen wir uns vorbereiten können.“ Auch die Frage der Auslastung sei dann wichtig. Bei nur 30 Prozent sei ein wirtschaftlicher Betrieb des Clubs ‚Miura‘ nicht möglich“, so Lüders. Lüders legt jedoch die Hände nicht in den Schoß, sondern nutzt seine langjährigen Logistikwege und -partner und hat einen Onlineshop für Mundschutz und Werbematerial auf den Weg gebracht. Gerade für den Gastronomiebereich sei das sehr interessant, da er in der Lage sei, maßgeschneidert die entsprechenden Materialien zu liefern, wie zum Beispiel Hinweisschilder für den richtigen Abstand. Finanzspritze für Clubmitarbeiter über Crowdfunding-Aktion: Mit einer eigenen Idee unterstütze er die Mitarbeiter. Über eine Crowdfundig-Aktion wurde Geld für diese gesammelt: „Die Einnahmen aus der Aktion gehen zu 100 Prozent zu den Mitarbeitern, welche nach dem Aus ihres Minijobs keine staatliche Hilfe erhalten haben und so für ihr Engagement über die Zeit belohnt werden sollen.“ Soforthilfe vom Land kam schnell: Lobende Worte findet Betriebsleiter Lüders für die wirklich schnelle Soforthilfe des Landes: „Zehn Tage nachdem ich das Geld beantragt habe, war es da. Da war ich richtig stolz auf unser Land“, blickt er auf die schnelle Hilfe zurück. Und wie kann die Stadt helfen? „Man muss die Leute mehr darauf aufmerksam machen können, dass Clubs und Diskotheken ihre Türen wieder öffnen dürfen – wenn es so weit ist“, hofft Lüders auf Unterstützung beim Neustart-Marketing. Weitere Ideen, auf welche Art und Weise den Stralsunder Clubs geholfen werden könnte, gab er Oberbürgermeister Badrow mit auf den Weg. Clubchef Robert Lüders verrät seine Hoffnung in der aktuellen Situation: „Wenn wir eine Silvesterparty veranstalten könnten, das wäre fabelhaft!“ Mehr lesen: Keine Gigs in Berlin oder New York: Rostocker DJ Jan Oberlaender muss jetzt kreativ sein Rostocker Kulturszene: So wollen Mau, Jaz und Peter-Weiss-Haus durch die Krise kommen Motorradfahrer stürzt bei Stralsund – und verletzt sich schwer Studie: Corona-Lockdown sorgt auch in MV für Streit in Familien Jugendamt in Stralsund musste 154 Kinder aus ihren Familien holen Von Kay Steinke