Stralsund: Leben im Welterbe mit Seifenbottichen im Wohnzimmer

Als Journalisten sind wir der Objektivität verpflichtet, aber heute gehen dem Autoren dieses Textes womöglich die Pferde durch. Denn Familie Gebler/Hippe hat ihm für den Stralsunder Adventskalender die Tür Nummer 18 geöffnet. Und was die beiden aus ihrem Haus gegenüber der Jakobikirche gemacht haben – Donnerwetter! Selten so begeistert gewesen. Annekathrin Hippe und Simon Gebler sind Restauratoren, auf Malerei, Bilder und Mosaike spezialisiert. Eigentlich träumten sie von einem barocken Giebelhaus, berichtet sie, und nicht von einem Industriebau von 1895. Außerdem war die frühere Seifenfabrik noch nicht mal zum Wohnen gemacht. „Wir haben lange gebraucht, um uns daran zu gewöhnen.“ Ihr Partner ergänzt: „Mit dem Umbau sind wir auch immer noch nicht fertig.“ Unglaublich viele Schnapsflaschen: Er blickt zehn Jahre zurück: „Wir wunderten uns, dass etwas mit dem Grundriss nicht stimmt. Da haben wir ein paar Mauern eingerissen.“ Dahinter: Müll, Schutt, ein großer Seifenofen, den sie stehen gelassen haben, „und unglaublich viele leere Schnapsflaschen“, die sie weitestgehend entsorgt haben, fügt Annekathrin Hippe an. Sie stammten aus DDR-Zeiten, als in dem Gebäude Elektrogeräte repariert wurden. Nach dem Entrümpeln, richteten sie im Erdgeschoss ihre Werkstatt ein und erneuerten den Fußboden mit einer farblich hervorgehobenen Fläche. „Hier muss mal ein großer Kessel gewesen sein“, erklärt Simon Gebler. Sie haben eine Folge des Stralsunder Adventskalenders verpasst? Hier sind alle bisher veröffentlichten Teile im Überblick: Stralsunder Adventskalender Tür 17: Leben auf zehn Quadratmetern - im Gefängnis Stralsunder Adventskalender Tür 16: So läuft es auf dem Bauernhof Perlitz Stralsunder Adventskalender Tür 15: Von schießenden Äxten und fliegenden Funken Stralsunder Adventskalender Tür 14: Stralsunds älteste Firma pumpt seit 1851 Stralsunder Adventskalender Tür 13: Seit 30 Jahren im Dienste der Maske Stralsunder Adventskalender Tür 12: Was passiert, wenn die Nase abfällt? Stralsunder Adventskalender Tür 11: Hinter dieser Tür geht es hoch hinaus Stralsunder Adventskalender Tür 10: In diesem Stralsunder Raum geht es um Leben und Tod Stralsunder Adventskalender Tür 9: Schicker Schmuck aus wuseliger Werkstatt Stralsunder Adventskalender Tür 8: Wenn der OB ins Hinterzimmer lädt Stralsunder Adventskalender Tür 7: Das verbirgt sich hinter Stralsunds wohl schönster Tür Stralsunder Adventskalender Tür 6: In dieser Brücke riecht es nach U-Boot Stralsunder Adventskalender Tür 5: So sieht es im Inneren der Stralsunder Rügenbrücke aus Stralsunder Adventskalender Tür 4: Der Tapentensaal – Raum voller Rätsel Stralsunder Adventskalender Tür 3: Tür auf zu Stralsunds ältestem Schiff: die „Aken“ Stralsunder Adventskalender Tür 2: Eine der ältesten Türen ist wieder schick Stralsunder Adventskalender Tür 1: Keller erzählt Storys von Bier, Bush und Störtebeker Geht man eine Treppe nach oben, steht man im großzügigen, aber gemütlichen Wohnbereich – und kommt aus dem Staunen kaum heraus. Ein Flügel, ein Kicker, ein Trampolin, eine offene Küche, für jedes ihrer drei Kinder ein eigener Schreibtisch. Nachträglich eingebaute Fenster in der Decke sorgen für mehr Licht und eine schöne Geräuschkulisse bei Regen. Da fallen die beiden alten, wuchtigen Seifenbottiche am Rand des Lofts kaum auf. „Zum Heizen können wir sie nicht benutzen“, sagt Simon Gebler. Ihre einzige Funktion – an die Geschichte des Hauses erinnern. Kostenlose Orgelkonzerte auf der Dachterrasse: Ein Stockwerk weiter oben geht es neben einem Atelier auf die ebenfalls sehr großzügige Dachterrasse vis-à-vis zur Jakobikirche. „Wenn dort Orgelkonzerte sind, können wir sie hier gut hören“, verrät Annekathrin Hippe. Am Rand steht ein alter Industrie-Schornstein, womöglich der letzte in der Altstadt, und an der Seite ist ein Lastkran. „Damit haben wir den Flügel ins obere Stockwerk gehoben.“ Nicht nur der Lastkran funktioniert gut, auch dass der Industrie-Charme nicht wegsaniert wurde und das Haus passend zum Leben mit drei Kindern gestaltet ist, tun es. So schön kann also das Leben im Stralsunder Welterbe sein. Was will man da noch mit so einem komischen Giebelhaus? Von Kai Lachmann