Stralsund: So läuft es im „Grünthaler Krug“ in Corona-Zeiten

Es ist kurz vor Elf. Vor dem Flachbau in der Jakob-Kaiser-Straße in Grünhufe stehen die Menschen Schlange, mit Abstand und Maske natürlich, denn hier will keiner ein Risiko eingehen, dafür freuen sich alle viel zu sehr auf das, was sie hinter der Tür bekommen. Dort stehen nämlich Katja Block und ihre Kolleginnen vom „Grünthaler Krug“ und bewältigen den Ansturm an der Essen-Front. Manche Leute schieben ihre eigenen Thermogefäße rüber, andere nehmen die Einwegverpackung. Im Sekundentakt kommen die Portionen aus der Küche, und genauso schnell werden sie an die Kunden über den Tresen gereicht. Zackig wird die Schlange der Wartenden abgearbeitet. Ob Büro-Angestellter aus der Stadt, HartzIV-Empfänger, Hermes-Boten oder Elektriker, die gerade einen Auftrag in der Gegend erledigen – sie alle freuen sich auf die gut bürgerliche Küche in diesem Haus, und die serviert heute Kassler mit Kartoffeln und Sauerkraut. Schnitzel sind nach wie vor der Renner: Und was ist bei den Abholern noch sehr beliebt? „Hamburger Schnitzel, Steak, Boulette in allen Variationen, Gullasch, aber auch Schmorkohl, Grützwurst oder Soljanka stehen hoch im Kurs“, verrät Katja Block, seit genau 30 Jahren Chefin im „Grünthaler Krug“. Im Moment gibt es ein Tagesgericht. Wenn es wieder richtigen Mitttagstisch gibt, können die Leute ganz normal aus einer Karte auswählen, und da ist das Bauernfrühstück nach wie vor ein Knaller. Und was ist die Chefin am liebsten? „Rumpsteak mit Folienkartoffeln“. Lesen Sie auch Hausärzte in Stralsund schreien auf: Wo bleibt unsere Corona-Impfung? Stralsunder helfen Stamm-Frisör in Negast in Corona-Krise aus der Klemme Morgens um 8 Uhr haben die fleißigen Köche und Helfer im „Krug“ ihren Dienst begonnen. Riesige Töpfe werden da gefüllt. Und ja, in dieser Gaststätte werden die Kartoffeln noch selbst geschält. „Sonst schmeckt das doch nicht“, findet Katja Block und gesteht: „Ich mach das gerne. Ich finde, Kartoffeln schälen ist wie Ergotherapie. Da muss man seinen Kopp nicht anstrengen, ist auch mal schön.“ Und auch die drei Mitarbeiterinnen sind stolz darauf, dass im „Grünthaler Krug“ noch alles selbst gekocht wird. Dass die Arbeit Spaß macht, merkt man den Frauen an. Es wird gerackt und gescherzt. Übrigens auch mal auf Russisch, denn die Frauen kommen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken, und wenn die Chefin ihr Abitur-Russisch rausgekramt, wird das ganz lustig., wie wir selbst erleben. Zwei Fahrer sorgen für Essen auf Rädern: Doch nicht nur die Selbstabholer bekommen Montag bis Freitag ihr Essen. „Wir haben auch viele Firmen und Einzelhaushalte, die bei uns bestellen, zwei Fahrer bringen das den Leuten dann nach Hause. Für 3,50 Euro mit Lieferung. Wer selbst herkommt, zahlt 3 Euro“, erklärt die 53-Jährige und schiebt hinterher: „Wir haben trotz Krise nicht einen Tag zugehabt. Und sowohl die Fahrer als auch die drei Frauen in der Küche mussten nicht in Kurzarbeit. Wir hatten von Anfang an gut zu tun. Allerdings muss ich zugeben, dass die Belieferung von Privatkunden jetzt ausgereizt ist, mehr geht nicht.“ In Nicht-Corona-Zeiten kommen die Leute auch von 11 bis 14 Uhr vorbei, aber dann können sie im 60 Plätze umfassenden Gastraum Platz nehmen, essen und plaudern. „Gut gegen die Einsamkeit“, findet Katja Block. Aber krisenbedingt ist jetzt alles abgesperrt, und der Platz wird für die Lieferkisten gebraucht, denn die stapeln sich überall. Katja Block übernahm „Wohngebietsgaststätte“: Vor 30 Jahren hat die Stralsunderin die „Wohngebietsgaststätte“, wie man zu DDR-Zeiten sagte, von der HO übernommen. „Es war gar nicht so einfach, an Geld zu kommen. Und die vier Mitarbeiter sollte ich auch übernehmen“, erinnert sich Katja Block an die krassesten Geschichten, um schließlich bei einer Bank doch noch einen Kredit zu bekommen. Das Lokal hat sie von der Stadt gemietet. Doch dann klappte es, und bis 1997 war es eine ganz normale Gaststätte, in der Katja Block, die vorher im „Schweriner Hof“ gearbeitet hatte, den Laden schmiss. „Doch dann lief das Abendgeschäft immer schleppender, die Leute hatten einfach keine Lust, abends hier ihre Zeit zu verbringen. Das war der Punkt, wo ich voll aufs Mittagessen umgesattelt bin. Und das läuft, sogar in Krisen-Zeiten“, staunt sie selbst manchmal, wenngleich sie auch Verluste wegstecken musste. „Aber ich musste keinen nach Hauses schicken. Darüber bin ich so froh“, sagt die gelernte Kellnerin, die nach nach Abi eigentlich Jura studieren wollte, es sich dann aber doch anders überlegte und lieber noch die Gastro-Meisterschule wählte. Catering ist zweites Standbein: Ein zweites Standbein läuft besonders in Nicht-Krisen-Zeiten auch wie Hanne. Und das ist das Catering – vom gut bürgerlichen Büfett bis hin zum Feinschmeckersalat mit Garnelen und Co. „Da richten wir uns ganz nach den Wünschen der Kunden“, zwinkert die taffe Unternehmerin und verrät, dass sie auch schon für Olli Pocher was gezaubert hat. „Der hatte bei einer Gala so’nen Hunger, da hab ich ihm fix was vom Büfett geholt. Nur keine Kohlenhydrate, hat er gesagt und war ansonsten ganz pflegeleicht.“ Kein Wunder, mit ihren flotten Sprüchen öffnet sie alle Herzen. Katja Block hat übrigens auch Fotos mit Horst Lichter oder sorgte mit ihren Mädels, wie sie ihre flinken Kolleginnen nennt, auch für gute Laune bei Roland Kaiser. „Nur der Glööckler, der war total eingebildet“, erinnert sie sich an einen weiteren Promi aus ihrer „Catering-Kartei“. Für Obdachlose aufgetafelt: Eins hat sich die Gastronomin, die gefühlt alle Stralsunder persönlich kennt, trotz Corona nicht nehmen lassen, und das war zu Weihnachten das Bekochen der Obdachlosen in Grünhufe. Während sonst im „Krug“ aufgetafelt wird, gab es diesmal ein Büfett direkt in der Unterkunft. „Und ich hatte auch wieder die Unterstützung der Sponsoren“, freut sich die Ur-Stralsunderin, die seit 15 Jahren verheiratet ist und einen erwachsenen Sohn hat. Jetzt hofft Katja Block auf baldige Normalität, damit sie wieder richtig aufmachen kann. „Und dann würde ich auch gerne mal wieder in den Urlaub fahren...“ Und was ist nun das Erfolgsrezept nach 30 Jahren in der Gastronomie? „Man muss fleißig und wendig sein – und man braucht ein gutes Team. All das haben wir.“ Von Ines Sommer